Fragen & Antworten: Anklage gegen Wulff
Berlin/Hannover (dpa) - Beim Münchner Oktoberfest 2008 war die Welt für Christian Wulff noch in Ordnung: Mit seiner Frau Bettina tauschte der niedersächsische Ministerpräsident verliebte Blicke, Fotos zeigen ihn mit einer Maß Bier in der Hand und stilecht im Trachtenjanker.
Bettina trägt Dirndl, beide sind ganz Ton in Ton. Nun, fast viereinhalb Jahre später, führt die Sause in München zu einer Anklage wegen Bestechlichkeit. Es ist ein einmaliger Vorgang in der Geschichte der Bundesrepublik.
Überraschend kam die Entscheidung am Freitag nicht mehr, auch Wulff hatte damit gerechnet. Vor drei Tagen hatten seine Anwälte die Einstellung des Verfahrens wegen Bestechlichkeit gegen Zahlung von 20 000 Euro abgelehnt. Wulff hofft nun weiter auf seine volle Rehabilitierung - ausgeschlossen ist das nicht. Und juristisch gesehen gilt weiter die Unschuldsvermutung.
Kommt es nun mit Sicherheit zum Prozess?
Das ist wahrscheinlich, aber nicht zwingend. Das Landgericht Hannover muss jetzt prüfen, ob es das Hauptverfahren eröffnet. Theoretisch kann es das angesichts der dünnen Beweislage ablehnen. Damit wäre das Verfahren eingestellt. Das ist aber nach Ansicht von Experten nicht zu erwarten.
Denkbar ist auch, dass es einen neuerlichen Versuch einer Einigung vor Eröffnung des Hauptverfahrens geben könnte. Das Gericht könnte Wulffs Anwälte und die Staatsanwaltschaft noch einmal an einen Tisch bitten. Die Wulff-Seite hatte bereits zuvor Kompromissbereitschaft signalisiert: Wenn der Vorwurf der Bestechlichkeit fallengelassen und wieder auf Vorteilsnahme reduziert wird, und wenn die geforderten 20 000 Euro reduziert würden, dann könnte Wulff doch noch zustimmen. Bisher hat sich die Staatsanwaltschaft darauf aber nicht eingelassen.
Was ist von den Vorwürfen geblieben?
Wenig. Am Freitag teilte die Staatsanwaltschaft mit, dass nun auch die Ermittlungen im Zusammenhang mit den Sylt-Urlauben Wulffs eingestellt worden sind. Auch diese Übernachtungen standen im Februar 2012 mit im Mittelpunkt der Vorwürfe und führten unmittelbar zum Rücktritt des Bundespräsidenten. Bezahlt haben soll damals ebenfalls der Filmproduzent David Groenewold - per Kreditkarte, Wulff will ihm das Geld in Bar wiedergegeben haben. Längst nicht mehr relevant sind auch die Vorwürfe im Zusammenhang mit Wulffs Hauskredit, mit denen die Affäre im Dezember 2011 ins Rollen kam.
Es bleiben also nur noch die 719,40 Euro Übernachtungskosten plus Anteile an einem größeren Abendessen, die Groenewold während des Münchner Oktoberfests 2008 bezahlt hat - angeblich aber ohne Wissen des Begünstigten. Die Wulff-Seite weist auch darauf hin, dass der damalige niedersächsische Ministerpräsident diese Kosten ohne Mühe hätte offiziell abrechnen können. Dass sich Wulff damals bei Siemens-Chef Peter Löscher für Groenewolds Filmprojekt „John Rabe“ eingesetzt hat, ist unbestritten. Aber gab es da wirklich einen Zusammenhang?
Mit welcher Strafe muss Wulff rechnen?
Nach Paragraf 332, Absatz 1 der Strafgesetzesbuchs kann Bestechlichkeit eines Amtsträgers mit einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft werden. In minder schweren Fällen können bis zu drei Jahre oder auch eine Geldstrafe verhängt werden. Angesichts der relativ geringen Summe, um die es geht, rechnen Experten - wenn es zu einer Verurteilung kommt - mit einer Geldstrafe. Die dürfte sogar deutlich niedriger ausfallen als die jetzt von der Staatsanwaltschaft geforderten 20 000 Euro. Mit einem Prozess ist, wenn überhaupt, erst im Herbst zu rechnen.