Fragen & Antworten: EU steuert in der Krise um

Brüssel (dpa) - Nach Jahren der Finanzkrise und striktem Sparkurs rückt in Brüssel den Kampf gegen Massenarbeitslosigkeit und Rezession in den Vordergrund. Die Kurskorrektur wirft in den Mitgliedstaaten Fragen auf, auch bei den Bürgern.

Gibt es den Euro-Stabilitätspakt noch?

Ja. Es gelten weiterhin die Maastrichter Defizitgrenze von drei Prozent der Wirtschaftsleistung und die Schuldengrenze von 60 Prozent. Der Pakt wurde verschärft, es können nun wesentlich schneller als früher Geldbußen gegen Defizitsünder verhängt werden. Doch auch nach der Reform im vergangenen Jahr werden keine Sanktionen verhängt.

Warum gibt es keine Geldstrafen?

Weil die EU-Kommission, die die Aufsicht bei der gemeinsamen Budget- und Wirtschaftspolitik führt, den Pakt in der Wirtschaftskrise flexibel handhabt. Rechtlich ist das möglich. So rückt das sogenannte strukturelle Defizit in den Vordergrund, bei dem Konjunktureinflüsse ausgeblendet werden. Die Kommission will Fristen in Defizitverfahren von sechs Euroländer verlängern, unter ihnen sind Frankreich und Spanien. Im Gegenzug müssen die Länder Reformen zusagen und diese auch in die Tat umsetzen.

Ist die Haushaltssanierung in Europa damit erledigt?

Nein. Die Sanierung der staatlichen Budgets geht weiter, doch das Tempo verlangsamt sich. Ein Grund dafür ist die Beruhigung der Finanzmärkte - Staaten ohne Hilfsprogramme können sich ohne Probleme frisches Geld leihen. Die Europäische Zentralbank (EZB) hatte im vergangenen Jahr ankündigt, notfalls unbegrenzt Anleihen von Krisenländern aufzukaufen - und damit ein starkes Signal an die hochnervösen Märkte gegeben.

Sind die Probleme in der Eurozone schon beseitigt?

Überhaupt nicht. Viele mittelständische Unternehmen, gerade im Süden im Kontinents, leiden an Kreditmangel. Das angeschlagene Slowenien muss unter Zeitdruck seinen Bankensektor reparieren. Auch Krisenländer wie Griechenland oder Zypern sind noch nicht über den Berg. Wenn die Empfehlungen der Kommission umgesetzt werden, sind noch 16 Mitgliedstaaten in Defizitverfahren. Derzeit sind es 20.

Hat Deutschland als Musterschüler beim Sparen noch viele Verbündete?

Nein. Im Finanzministerrat traten bisher die Niederlande und Finnland mit Deutschland als Hardliner auf. Alle Länder haben die Bestnote „AAA“ der internationalen Ratingagenturen und gelten deshalb als besonders kreditwürdig. Die Niederlande sollen jetzt ein zusätzliches Jahr zum Sparen bekommen, weil das Defizit nicht schnell genug sinkt.

Frankreich bekommt zwei zusätzliche Spar-Jahre, zum Nulltarif?

Nein. Präsident François Hollande muss dafür Reformen anschieben. So müssen sich die Franzosen darauf einstellen, für die Rente länger zu arbeiten. Brüssel will auch niedrigere Arbeitskosten sehen. Frankreich hat als zweitgrößtes Land der Eurozone einen wichtigen Bonus: Wenn Paris die Reform- und Budgetwende misslingt, könnte dies laut Experten die gesamte Eurozone gefährden. Deutschland allein als Motor reiche nicht aus. Dieses wird inzwischen auch in den Hauptstädten erkannt. Berlin und Paris ziehen im Kampf gegen die Jugendarbeitslosigkeit an einem Strang.

Energiekommissar Günther Oettinger hat laut „Bild“-Zeitung seine eigenen Reformempfehlungen für Mitgliedstaaten gegeben. Was sagt die Kommission dazu?

Die EU-Kommission geht nicht auf die Kritik Oettingers an einigen Mitgliedstaaten ein. „Ich kommentiere keine Kommentare“, sagt Behördenchef José Manuel Barroso. Bei der Jahreshauptversammlung der Deutsch-Belgisch-Luxemburgischen Handelskammer hatte Oettinger laut „Bild“-Zeitung Europa als einen „Sanierungsfall“ bezeichnet. Bulgarien, Rumänien und Italien seien „im Grunde genommen kaum regierbar“.