Fragen & Antworten: Merkels Rezepte gegen die Krise
Berlin (dpa) - Die EU steht am Scheideweg - und Angela Merkel spielt dabei eine entscheidende Rolle. „Scheitert der Euro, scheitert Europa“, ist inzwischen ein Standardsatz der Kanzlerin.
Ihr wird aber vorgehalten, nur noch an die eigene Haushaltskasse zu denken. Bei dem EU-Gipfel in Brüssel wird sich zeigen, wie weit Deutschland gehen will, um die Euro-Krise dauerhaft zu überwinden. Einige Fragen und Antworten dazu:
Warum steht Merkel jetzt in der EU so unter Druck?
Deutschland ist bisher aus der weltweiten Krise vergleichbar am besten herausgekommen: Die Wirtschaft liegt auf Wachstumskurs, die Arbeitslosigkeit geht zurück. Die EU-Partner drängen deshalb die Deutschen, ihren Sparkurs zu lockern, den Konsum anzukurbeln und rascher auf Hilfsersuchen einzugehen. Merkel steht dabei unter einem doppelten Druck: Innenpolitisch und in der Europäischen Union.
Die Wortführer von Schwarz-Gelb verlangen, dass sie den Stabilitätskurs nicht aufgibt, den Zugriff auf den Bundeshaushalt abwehrt und nur unter konkret überprüfbaren Kriterien deutsche Euro- Hilfen zusagt. In der EU gibt es einige Länder, die diesen Kurs unterstützen. Dazu gehören etwa Polen, die Niederlande und Schweden.
Andere wie Luxemburg - aber auch die Opposition in Berlin - verlangen dagegen größere und raschere Schritte zu einer gemeinsamen Wirtschafts- und Finanzpolitik in der EU. Der Hauptvorwurf gegen die Kanzlerin: Sie denke nur noch national, sie habe die EU aus den Augen verloren. „Merkel verspielt Kohls Erbe“, sagt etwa SPD-Chef Sigmar Gabriel.
Will Merkel überhaupt eine Führungsrolle in der EU übernehmen?
Schon zweimal hat die Kanzlerin bisher gezeigt, dass sie in heiklen Phasen der Staatenunion durchaus in der Lage ist, den Kurs für die EU vorzugeben: Bei der Rettung wesentlicher Inhalte der EU- Verfassung im späteren Lissabon-Vertrag und beim Klimaschutz. Ganz anders zu Beginn der Euro-Krise. Merkel stand zunächst auf der Bremse, weil sie bei den Rettungsmaßnahmen für Griechenland sicher sein wollte, dass hier kein Geld in ein Fass ohne Boden geworfen wird.
Das Ergebnis: Die Kreditvergabe aus dem 750 Milliarden Rettungsschirm ist an strenge Kriterien gebunden, der „neutrale“ Internationale Währungsfonds (IWF) wacht über die Sparprogramme der Nutznießer. Merkels Kritiker sagen, mit ihrem Zögern habe die Kanzlerin die Kosten der Krise wegen der anhaltenden Spekulationen gegen den Euro verteuert. Merkel antwortet: Das Gegenteil ist richtig. Erst das Beharren auf feste Sparvereinbarungen mit den Schuldenmacher-Ländern schaffe die Voraussetzung für eine dauerhafte Rückkehr zur Stabilität.
Was tun? Ist ein „Kerneuropa“ die Lösung?
Vor allem Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) gilt seit Jahren als Verfechter eines „Europa der mehreren Geschwindigkeiten“. Dabei tun sich Länder mit vergleichbaren politischen und wirtschaftlichen Strukturen zusammen, um gemeinsame Ziele schneller zu erreichen. Andere EU-Länder können sich später anschließen. Im Falle des Euro könnten Deutschland und Frankreich diesen Weg gehen.
Bei ihrem jüngsten Treffen in Freiburg haben Merkel und Frankreichs Staatschef Nicolas Sarkozy eine solche Vorreiterrolle angekündigt, zunächst noch ohne in die Details zu gehen. Die Haushalts- und Steuerpolitik, das Arbeitsrecht beider Länder soll dabei harmonisiert werden. „Das ist nur das Vorspiel der notwendigen wirtschaftlichen Konvergenz im Euroraum und natürlich auch in der gesamten Europäische Union“, sagte Sarkozy in Freiburg.
Was sind die Vor- und Nachteile dieser Schrittmacher-Rolle?
Vorteil ist, dass für solche bilaterale Vereinbarungen die EU- Verträge nicht neu ausgehandelt werden müssen. Bis der Lissabon- Vertrag in Kraft gesetzt werden konnten, vergingen zehn Jahre. Ein solcher Zeitraum wäre für eine grundlegende Überarbeitung wieder nötig. Kaum vorstellbar, dass sich die EU der 27 an ein solches Projekt jetzt wieder heranwagt.
Der Nachteil eines deutsch-französischen Alleingangs wäre der Vorwurf eines deutsch-französischen „Direktorats“. Er ist nicht neu und taucht immer dann auf, wenn sich die beiden EU-Schwergewichte auf Vorschläge verständigen. Vor allem die kleineren EU-Länder fühlen sich dann übergangen oder gar an den Rand gedrängt. Auch hierfür schlägt Schäuble einen Ausweg vor: Die Partner könnten mitgenommen werden, wenn sich Deutschland und Frankreich nicht als „Hegemon“, sondern als „Scharnier“ verstünden: Paris für Südeuropa und Berlin für den Osten und Norden Europas.