Gaddafis Waffen - die Militärmacht Libyen
Berlin (dpa) - Seit sich Oberst Muammar al-Gaddafi 1969 in Libyen an die Macht putschte, hat er sein Land zu einer regionalen Militärmacht ausgebaut. Bei einer Bevölkerung von rund 6,3 Millionen hat der Staat mehr als 100 000 Menschen unter Waffen.
Die libyschen Streitkräfte haben eine Personalstärke von rund 76 000 Mann. 50 000 von ihnen dienen im Heer (die Hälfte sind Wehrpflichtige), 18 000 in der Luftwaffe und 8000 in der Marine. Dazu kommen 40 000 Reservisten der „Volksmiliz“. Neben den regulären Streitkräften setzt Gaddafi auf die ihm besonders loyale „Revolutionsgarde“ mit rund 3000 Mann. Diese schwer bewaffnete Truppe verfügt auch über Panzer und Raketen.
Seit Jahrzehnten hat das gut zahlende Ölland Libyen zudem ausländische Söldner unter Waffen. Als selbst ernannter Führer der arabischen Welt ließ Gaddafi 1972 eine „Islamische Legion“ aufstellen. Ihre Soldaten wurden vor allem in den Sahelstaaten Mali, Niger, Tschad und Sudan sowie in Pakistan rekrutiert. Später sollen auch Söldner aus Nigeria, Liberia, Äthiopien, Somalia, Indien und anderen Staaten gekommen sein. Die aktuelle Stärke der „Legion“ wird auf 2500 Mann geschätzt.
Die libyschen Streitkräfte sind mit modernsten Waffen ausgestattet. Die Armee hat 2205 Kampfpanzer, darunter 180 neue russische T-90S und 200 T-72. Die Zahl der Artilleriegeschütze wird mit mindestens 2421 angegeben. Die verschiedenen Waffengattungen verfügen insgesamt über 685 Raketen unterschiedlicher Reichweite. Unter den 374 Kampfflugzeugen sind rund 30 französische Mirage-Jäger und sieben russische Tupolew-22-Bomber. Die 35 Kampfhubschrauber stammen aus russischer Produktion. Zu den Kriegsschiffen zählen zwei Fregatten, eine Korvette, zwei U-Boote und 14 Küstenwachboote.
Libyen soll gegenwärtig keine Chemie-Waffen haben. Ende 2003 erklärte das wegen Gaddafis Unterstützung des weltweiten Terrorismus als „Schurkenstaat“ isolierte Land seinen Verzicht auf atomare, biologische und chemische Massenvernichtungswaffen (ABC-Waffen). Ausländische Inspekteure fanden danach Chemiewaffen und Material zur Herstellung von biologischen Waffen. 2004 gab es nach Angaben des Den Haager Büros für das Chemiewaffenverbot (OPCW) mehrere hunderttausend Tonnen von Stoffen, die zur Produktion von Chemiewaffen dienten, darunter Senfgas und Sarin. Unter OPCW-Aufsicht wurden in Libyen mehrere tausend Bomben vernichtet, die mit Chemikalien gefüllt werden sollten.
Nach Gaddafis Verzicht auf ABC-Waffen hob die Europäische Union 2004 ein 18 Jahre zuvor verhängtes Waffenembargo auf. Inzwischen bezieht Libyen einen Großteil seiner Rüstungsgüter aus EU-Ländern. Allein 2009 erteilte die EU Exportlizenzen für rund 344 Millionen Euro. Davon betrafen allein 112 Millionen Italien (vor allem für Flugzeuge und Hubschrauber), 80 Millionen Malta (Pistolen und andere kleinkalibrige Waffen), 53 Millionen Deutschland (elektronische Geräte), 30,5 Millionen Frankreich und 25,5 Millionen Großbritannien. Weit bedeutender als Rüstungspartner ist allerdings Russland. 2010 bestellte Tripolis in Moskau Waffensysteme für 1,5 Milliarden Euro.
(Quelle: International Institute for Strategic Studies, IISS, London)