Griechenland droht Staatsbankrott
Berlin/Athen/Madrid (dpa) - Den Gläubigern Griechenlands reißt offenbar der Geduldsfaden - trotz aller bisherigen Hilfen droht der Staatsbankrott. Auch für Spanien wird angesichts weiter steigender Schuldzinsen die Lage zunehmend gefährlicher.
Die internationalen Finanzmärkte reagierten mit massiven Einbrüchen. Der Euro fiel am Montag unter die Marke von 1,21 Dollar und damit so tief wie seit zwei Jahren nicht mehr.
Im Sanierungsprogramm der Griechen klafft laut „Süddeutscher Zeitung“ (Montag) erneut ein Loch in zweistelliger Milliardenhöhe. Allerdings hatten die seit Juni regierenden Parteien zusätzliche Belastungen für die Bevölkerung ausgeschlossen.
Die Geldgeber, allen voran Deutschland, sind dem Blatt zufolge aber nicht mehr bereit, der Regierung in Athen über die bisherigen Zusagen hinaus zu unterstützen. Die „SZ“ zitierte aus Berliner Regierungskreisen, es sei „undenkbar, dass Kanzlerin Angela Merkel noch einmal vor den Bundestag tritt und um Zustimmung für ein drittes Griechenland-Paket bittet“.
Auch der Internationale Währungsfonds (IWF) signalisiert nach Informationen des „Spiegel“, sich an keinen weiteren Hilfen für Griechenland zu beteiligen. In einer Stellungnahme der Finanzorganisation hieß es am Montag zwar knapp: „Der IWF unterstützt Griechenland dabei, seine wirtschaftlichen Schwierigkeiten zu überwinden.“
Doch die Anleger ließen sich davon nicht beeindrucken. „Der Markt hat offenbar jedes Vertrauen in das Krisenmanagement verloren“, hieß es von Devisenexperten. Immer deutlicher zeichne sich ab, dass Griechenland aus dem Euroraum hinausgeworfen werden solle. Der Währungsfonds verwies auf weitere Prüfungen der sogenannten Troika aus Experten des IWF, der Europäischen Zentralbank (EZB) und der Europäischen Kommission, die an diesem Dienstag in Athen beginnen sollen.
Athen ist in Rückstand geraten, weil während des Dauer-Wahlkampfs im Frühjahr fast alle Reformvorhaben liegen geblieben sind. Außerdem würde durch die von der Regierung geforderte längere Frist, die Reformen umzusetzen, ein erhöhter Finanzbedarf erforderlich sein.
Dieser liege nach Schätzungen der „Troika“ genannten Finanzkontrolleure von EU-Kommission, Europäischer Zentralbank (EZB) und IWF zwischen 10 und 50 Milliarden Euro, schreibt die „SZ“. Die im zweiten EU-Hilfspaket zugesagten Kredite in Höhe von 130 Milliarden Euro reichten somit nicht mehr aus.
Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) hält ein Ausscheiden Griechenlands aus der Eurozone nicht mehr für unwahrscheinlich. „Für mich hat ein Austritt Griechenlands längst seinen Schrecken verloren“, hatte er am Sonntag im ARD-Sommerinterview gesagt.
Ein solcher Schritt wäre ohne Beispiel. Die EU-Verträge sehen dafür keinerlei Regelung vor. Allerdings könnte Griechenland von sich aus erklären, sich vom Euro zu verabschieden. Aber auch in diesem Fall wäre dies Neuland für das gesamte Euro-System.
Derzeit untersucht die „Troika“, inwieweit das Land seinen Reformverpflichtungen nachkommt. Athen hofft auf Geldspritzen im August und September in Höhe von 12,5 Milliarden Euro. Mit dem Bericht wird im September gerechnet.
Auch Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) sprach sich dafür aus, diesen abzuwarten. Indirekt plädierte er dagegen, Griechenland mehr Zeit einzuräumen. „Wenn es Verzögerungen gegeben hat, muss Griechenland diese aufholen“, sagte er der „Bild“-Zeitung (Montag).
Die Bundesregierung hat keine Informationen darüber, dass der IWF weitere Griechenland-Hilfen ablehne. Auf die Frage, ob die Bundeskanzlerin ein drittes Finanzpaket für Athen befürworten würde, antwortete Vize-Regierungssprecher Georg Streiter: „Ich sage dazu nichts.“ Die Regierung warte den „Troika“-Bericht ab.
FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle sprach sich für ein Vorziehen des Berichts aus. „Die Troika und Griechenland sollten zügig für Klarheit über den Stand der griechischen Reformanstrengungen sorgen“, sagte Brüderle der dpa.
Die griechische Koalitionsregierung war im Juni mit dem festen Ziel angetreten, die Fristen der für die Milliardenhilfen auferlegten Sparauflagen neu zu verhandeln.
Schlechte Nachrichten kommen auch vom anderen Sorgenkind der Eurozone. Für Spanien spitzt sich die Lage an den Finanzmärkten dramatisch zu. Die Renditen für Staatsanleihen erreichten in vielen Laufzeiten neue Rekordstände. Mittlerweile liegt die Rendite nicht nur im Zehnjahresbereich über der kritischen Marke von sieben Prozent. Dieses hohe Niveau gilt auf Dauer als nicht finanzierbar.
Händler begründeten die Eskalation vor allem mit finanziellen Problemen der spanischen Regionen. Nachdem bereits am Freitag die Region Valencia die Zentralregierung in Madrid um Hilfe gebeten hatte, könnten sich dem Hilfsersuchen weitere Regionen anschließen. Eine Beruhigung der Märkte brachte zuvor weder das neue, drastische Sparpaket in Höhe von bis zu 65 Milliarden noch die Bewilligung von Finanzspritzen von bis zu 100 Milliarden Euro für die maroden spanischen Banken durch die Euro-Finanzminister.
Schäuble wird am Dienstag den spanischen Wirtschaftsminister Luis de Guindos in Berlin treffen. Ungeachtet der kritischen Lage Spaniens zeigte sich de Guindos zuversichtlich, dass das Land nicht unter den Euro-Rettungsschirm flüchten muss. „Selbstverständlich“ schließe die spanische Regierung dies aus, sagte er vor Journalisten in Madrid.