Griechische Öffentlichkeit schockiert über Sparpläne
Athen/Brüssel (dpa) - Die griechische Öffentlichkeit hat schockiert auf die ersten Details aus dem neuen Sparprogramm von Ministerpräsident Georgios Papandreou reagiert. „Es ist der Gnadenschuss für unsere Einkommen“, titelte am Freitag die linksliberale Zeitung „Eleftherotypia“.
Das konservative Boulevardblatt „Eleftheros Typos“ kommentierte: „Unerträgliche Steuern“.
Die wichtigste Abstimmung zum Sparprogramm soll am Dienstagnachmittag im griechischen Parlament stattfinden. Die zwei größten Gewerkschaften des privaten und des staatlichen Bereichs (GSEE und ADEDY) haben bereits für diesen und den folgenden Tag einen 48-stündigen Streik angekündigt. Die über das Internet organisierte Bewegung der „Empörten Bürger“ will an beiden Tagen versuchen, alle Zufahrtswege zum Parlament in Athen sperren.
Der neue Finanzminister Evangelos Venizelos hatte die steuerpolitischen Details aus dem Programm am Donnerstagabend präsentiert. Es sieht Steuererhöhungen und Ausgabenkürzungen vor, die in den kommenden Jahren 28 Milliarden Euro einbringen sollen. Außerdem sollen durch den Verkauf von Staatsbesitz 50 Milliarden Euro in die Kassen kommen. „Es hängt vom Kampfwillen der Griechen ab, ihre Glaubwürdigkeit wieder zu gewinnen, damit die Märkte uns glauben“, sagte Venizelos. Am Freitag legte Venizelos nach: er könne nicht ausschließen, dass auch weitere Sparmaßnahmen verhängt werden könnten, sagte er im Parlament.
Griechenland kann im Kampf gegen die Staatspleite indes auf seine europäischen Partner bauen. Die EU-Staats- und Regierungschefs signalisieren Athen, dass es nach dem 110-Milliarden-Paket vom vorigen Jahr mit einem neuen riesigen Hilfsprogramm rechnen kann. Dafür müssen die Griechen aber das neue Sparprogramm von Papandreou akzeptieren - und in die Tat umsetzen. „Das ist absolut nötig, um das Vertrauen wiederherzustellen“, sagte EU-Gipfelchef Herman Van Rompuy in der Nacht zum Freitag in Brüssel.
Offiziell soll das neue Paket - wie auch die Auszahlung des nächsten Teilbetrags aus dem laufenden Hilfsprogramm - von den EU-Finanzministern Anfang Juli beschlossen werden. Noch fehlt die entscheidende Voraussetzung dafür: Papandreou hat für sein drakonisches Sparprogramm noch nicht die Zustimmung des Parlaments, und auch die Opposition verweigert sich. Die EU verlangt in einer Gipfelerklärung die „nationale Einheit“ der Griechen, um die schwere Krise zu meistern.
Das neue Nothilfe-Paket soll nach Angaben von Diplomaten einen Umfang bis zu 120 Milliarden Euro haben. Bei diesem Programm sollen sich Banken und Versicherungen auf freiwilliger Basis an den Kosten beteiligen. Details stehen noch nicht fest.
Zur Rettung vor dem Staatsbankrott profitiert Griechenland bereits von einem 110 Milliarden Euro schweren ersten Notpaket mit Krediten von Euro-Ländern und IWF. Griechenland ist das erste Euroland, das 2010 an den Finanztropf von EU und IWF musste. Später kamen Irland (85 Milliarden Euro) und Portugal (78 Milliarden Euro) dazu.
Der Vorsitzende der Eurogruppe, Luxemburgs Regierungschef Jean-Claude Juncker, mahnte angesichts der dramatischen Lage: „Niemand in Griechenland sollte hoffen, dass es so etwas wie einen Plan B gibt. Griechenland muss liefern. Wir im übrigen auch.“ Er habe „größtes Verständnis“ für Griechen, die meinten, für eine Krise zahlen zu müssen, mit der sie eigentlich nichts zu tun hätten. Juncker fügte hinzu: „Griechenland muss sich strukturell, befindlichkeitsmäßig, seriositätsmäßig und ordnungspolitisch sehr verändern, damit es den Sprung in die Zukunft schafft.“
In Deutschland ist die Zustimmung zu den Griechenland-Hilfen hoch - obwohl eine Mehrheit nicht an eine finanzielle Stabilisierung Griechenlands glaubt. Nach dem aktuellen ARD-„Deutschlandtrend“ sind 83 Prozent der Bundesbürger der Meinung, dass Griechenland auch langfristig auf das Geld anderer EU-Länder angewiesen sein wird. Nur jeder Zehnte (10 Prozent) rechnet damit, dass sich das Land aus eigener Kraft sanieren kann, wie die Umfrage von Infratest dimap im Auftrag des ARD-„Morgenmagazins“ ergab. Sechs von zehn Befragten (60 Prozent) sind der Meinung, dass Deutschland keine andere Wahl habe, als Griechenland zu unterstützen - auch wenn dies ärgerlich sei. 37 Prozent denken, dass sich Deutschland anders entscheiden könne.