Guttenberg im Bundestag auf der Anklagebank

Berlin (dpa) - Karl-Theodor zu Guttenberg steht aufrecht, fast stramm hinter seiner Regierungsbank im Plenarsaal des Bundestags.

Die Hände ineinandergelegt beantwortet er möglichst geduldig die Fragen der Abgeordneten. Begriffe wie „Täuschungsmanöver“ oder „Verhöhnung“ lässt er demonstrativ an sich abprallen. Auch die Frage nach seinem Rücktritt soll ihn nicht aus der Fassung bringen. „Sie sehen, ich stehe hier“, antwortet er darauf.

Am Montag, in der Stadthalle des hessischen Provinzstädtchens Kelkheim, war das noch anders. Bei seiner ersten ausführlichen Erklärung zur Plagiatsaffäre wirkte er nervös, lavierte zwischen Angriffslust und Selbstironie, um seine Fehler zu erklären. Zu diesem Zeitpunkt war noch nicht klar, ob er mit seinem Verzicht auf den Doktortitel als einzige Konsequenz durchkommen würde.

Jetzt scheint sich Guttenberg sicherer zu fühlen. Die Kanzlerin hat sich mehrfach hinter ihn gestellt, die Unionsfraktion am Dienstag ebenfalls. Lediglich wenige kritische Stimmen gibt es bisher aus den eigenen Reihen - zumindest öffentlich. Den Kniefall vor der Öffentlichkeit hat Guttenberg hinter sich, jetzt sucht er den Weg zurück zur Souveränität.

Die Debatte am Mittwoch im Bundestag versetzt ihn trotzdem noch einmal auf eine Anklagebank. So heftige Vorwürfe hat es im Parlament gegen einen Minister wohl selten gegeben. Als „Hochstapler“, „Lügner“ und „jämmerliches Vorbild“ attackieren ihn die Oppositionsabgeordneten. Hohn, Spott und Empörung schallt Guttenberg entgegen. „Ich appelliere an ihre Ehre“, sagt der Linke-Abgeordnete Dietmar Bartsch. „Früher wusste der Adel, was er an solch einer Stelle zu tun hat.“

Der SPD-Fraktionsgeschäftsführer Thomas Oppermann wirft dem CSU-Politiker „vorsätzliche und planmäßige Übernahme fremden Gedankenguts“ vor. „Sie haben getäuscht, Sie haben betrogen, Sie haben gelogen“, sagt er.

Guttenberg blättert während der Rede des Sozialdemokraten in seinen Unterlagen. Verteidigt wird er in der Debatte unter anderen vom CSU-Landesgruppenchef Hans-Peter Friedrich. „Das ist keine ordnungsmäßige parlamentarische Opposition, das ist eine Unverschämtheit“, regt der sich auf.

In der Sache bringen weder die 41-minütige Befragung Guttenbergs noch die anschließende eineinhalbstündige Debatte im Bundestag neue Erkenntnisse. Guttenberg erklärt seine zahlreichen Patzer beim Zitieren weiterhin mit schlichter Überforderung: „Ich war sicher so hochmütig zu glauben, dass mir die Quadratur des Kreises gelingt“, sagt er mit Hinweis auf seine damaligen politischen, wissenschaftlichen und familiären Herausforderungen.

Viele Abgeordnete im Plenarsaal wundern sich über eine andere Quadratur des Kreises: Wie kann man in solch großem Stil fremde Textstellen ungekennzeichnet in eine Arbeit übernehmen, ohne dass es einem auffällt?

Der Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin schließt seine Rede mit einer literarischen Fußnote. Er verweist auf Thomas Manns Roman über den Hochstapler Felix Krull und appelliert an die nicht anwesende Bundeskanzlerin: „Die Bundeswehr darf nicht mehr von einem Felix Krull kommandiert werden, entlassen Sie Herrn Dr. zu Guttenberg.“ Die Grünen hatten sich bis dahin als einzige Oppositionsfraktion mit Rücktrittsforderungen zurückgehalten.

Keine drei Stunden nach der Debatte tilgt die Universität Bayreuth endgültig Guttenbergs Doktortitel. Der Minister hatte darum gebeten und war damit der wissenschaftlichen Prüfung seiner Arbeit zuvor gekommen. Mit dem Schritt versuchte Guttenberg, das Heft des Handelns in der Affäre in die Hand zu nehmen.

Das Gröbste dürfte Guttenberg damit überstanden haben. Zwischenbilanz: Der Minister hat zwar schweren politischen Schaden genommen, sein Ansehen in der Bevölkerung hat aber offenbar nicht gelitten. Nach einer Umfrage von Mittwoch ist seine Beliebtheit sogar noch gewachsen.

Ausgestanden ist die Affäre für Guttenberg trotzdem noch nicht. Wenn sich Vorwürfe neuer Qualität bestätigen sollten, könnte es noch einmal eng für den Minister werden. Die Opposition wird nicht locker lassen. Ein Ansatzpunkt sind Gutachten des wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags, von denen Guttenberg laut SPD sechs in seine Arbeit übernommen haben soll. Dem Minister sind nach eigenen Angaben nur vier bekannt. „Von sechs weiß ich bisher nichts, ich freue mich, wenn ich sie sehe“, sagt er im Bundestag. Er sei „dankbar für jeden zusätzlichen Hinweis, was meine Arbeit anbelangt“.