Fragen und Antworten Heils Rentenpaket: Wer soll profitieren?

Berlin (dpa) - Alle Rentner sollen profitieren - vor allem aber Millionen Mütter, krankheitsbedingte Frührentner sowie Geringverdiener. Kosten in Milliardenhöhe müssen die Beitrags- und Steuerzahler tragen.

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Das sieht das am Freitag präsentierte Rentenpaket von Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) vor. Zielgerichtet gegen das Risiko von Altersarmut geht die Reform laut Experten aber nicht vor:

Stabilität bei der Rente, Honorierung von Lebensleistung und Bekämpfung von Altersarmut - so der Koalitionsvertrag. Heil sagt, mit seinem „Rentenpakt“ solle die gesetzliche Rente auch in Zukunft die tragende Säule der Alterssicherung bleiben. Anfang 2019 soll dieses erste Rentenpaket Heils in Kraft treten: mit der Mütterrente II, Verbesserungen für Erwerbsminderungsrentner, einer Entlastung von Geringverdienern bei Sozialbeiträgen und Haltelinien beim Rentenniveau und Beitragssatz bis 2025. Eine Grundrente für langjährig Versicherte und weitere Weichenstellungen für die Zeit nach 2025 sollen folgen. Denn die Gesellschaft wird älter. Auf weniger Einzahler kommen mehr Empfänger. Diese leben im Schnitt länger.

Laut Deutschem Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) 24 Prozent der heutigen Rentnerinnen. Erziehende Mütter oder Väter mit mehr als zwei Kindern sollen ein drittes Jahr Kindererziehungszeit für vor 1992 geborene Kinder erhalten. Insgesamt würde das Haushaltsnettoeinkommen der begünstigten Rentnerhaushalte laut DIW um knapp vier Prozent steigen, bei Rentnerinnen mit wenig Einkommen um bis zu sechs Prozent. Jochen Pimpertz, Experte für soziale Sicherung beim arbeitgebernahen Institut der deutschen Wirtschaft (IW) merkt an, nur kinderreiche Frauen in rentennahen Jahrgängen könnten profitieren - dabei auch Frauen mit hohen Renten oder wohlhabenden Partnern. „Systematische Armutsvorbeugung gibt es dabei nicht.“

Positiv. „Menschen mit einer geringen Erwerbsminderungsrente sind sehr häufig auf Grundsicherung angewiesen“, sagt der Berliner Wirtschaftsforscher Bruno Kaltenborn, der den Grundsicherungsbedarf von Rentnern für das Forschungsnetzwerk der Deutschen Rentenversicherung untersucht hat. So bezogen diese Menschen, die wegen Krankheit in Frührente müssen, 2016 zu 14,7 Prozent Grundsicherung - Altersrentner nur zu 2,6 Prozent. Künftig sollen Betroffene, anders als heute, so behandelt werden, wie wenn sie bis zum aktuellen Rentenalter gearbeitet hätten. „Als Vorbeugung vor Armut sinnvoll“, wie Pimpertz lobt.

Wenn ein Absinken dieses Verhältnisses der Rente zum Durchschnittslohn verhindert werden kann, dann kommt das allen Rentnern zugute - je nach ihrer Rente prozentual unterschiedlich. Das Niveau soll bis 2025 bei 48 Prozent gesichert werden. Zwar soll es laut bisherigen offiziellen Prognosen bis 2024 ohnehin bei 48 Prozent bleiben und erst dann absinken. Doch die Kosten der nun geplanten Maßnahmen - ohne Haltelinien - dürften zu einem Absinken auf 47,5 Prozent bereits 2024 führen. Das Sicherungsniveau für alle zu stabilisieren ist dabei keine Stellschraube, „mit der gezielt Altersarmut bekämpft werden kann“, wie Kaltenborn sagt.

Die Einkommensgrenze, ab der volle Sozialbeiträge gezahlt werden müssen, soll von 850 auf 1300 Euro steigen. IW-Forscher Pimpertz meint: Die Renten-Anwartschaften der Betroffenen werden bei reduzierten Beiträgen aufgewertet - „aber bei einem unverändert hohen Rententopf nur zu Lasten der heutigen Beitragszahler mit höheren Verdiensten“. Auch Mittelverdiener müssten Verbesserungen für Geringverdiener finanzieren. Pimpertz: „Profitieren würden allerdings auch Geringverdiener, die etwa Teilzeit machen, aber bereits in einem wohlhabenden Haushalt leben.“

Für die Rentenversicherung sollen die Verbesserungen bis 2025 mit knapp 32 Milliarden Euro zu Buche schlagen, am teuersten ist die verbesserte Mütterrente. Auch soll ein milliardenschwerer Fonds geschaffen werden, damit die Beitragssatz-Grenze von 20 Prozent eingehalten werden kann. Vor allem wenn die Einnahmen der Rentenkasse im Fall einer schlechteren Konjunktur sinken sollten, braucht es dafür mehr Steuergeld.

Ja. „Aber wenn man sieht, wer auf Grundsicherung angewiesen ist, ist Armut im Alter jetzt und in absehbarer Zeit nicht das Kernproblem.“ In der Generation 65 plus sind 3,1 Prozent der Menschen auf Grundsicherung angewiesen. Bei den Kindern unter 15 Jahren sind es 15, bei den Erwerbstätigen 8 Prozent.

Davor warnen Gewerkschaften und Sozialverbände. Kaltenborn dagegen hat errechnet, ob es einen Anstieg geben wird oder Altersarmut eher konstant bleibt: „Wahrscheinlich ist eher die Variante einer konstanten Entwicklung als die eines Anstiegs.“ Bis 2030 dürfte Senioren zu weniger als 5 Prozent Grundsicherung beziehen müssen. Einen von mehreren Gründen sehen die Experten im Anstieg der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung - und damit auch der Rentenanwartschaften - bei den Frauen.