Debatte um teure „Haltelinien“ Arbeitsminister Heil will Großreform bei Rente

Berlin (dpa) - Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) will in der laufenden Wahlperiode grundlegende Weichen für die Zukunft der Rente stellen und noch vor der Sommerpause ein erstes Rentenpaket vorlegen.

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Vorschläge für die geplante Großreform soll die neue Rentenkommission der Bundesregierung machen, die Heil in Berlin präsentierte. „Mein Ziel ist es, dass wir einen verlässlichen Generationenvertrag auf die Beine stellen für die kommenden Jahre“, sagte Heil. Kritik kam von Arbeitgebern und Opposition.

„Mir geht es um eine Politik der neuen Balance“, sagt Heil. Geprüft werden müsse, was für das Alterssicherungssystem nötig und was mit Rücksicht auf die Volkswirtschaft möglich sei. Die Politik müsse „Sicherheit im Wandel“ auch durch die Digitalisierung schaffen.

In dem ersten Rentenpaket, das Heil noch vor der Sommerpause vorlegen will, soll eine doppelte Haltelinie geregelt werden: Einerseits wollen Union und SPD das Rentenniveau, also das Verhältnis von Rente zu Durchschnittseinkommen, bis 2025 auf dem heutigen Niveau von 48 Prozent halten. Andererseits soll der Beitragssatz von 18,6 Prozent nicht über 20 Prozent steigen.

Direkt anpacken wolle er auch Leistungsverbesserungen für Erwerbsminderungsrentner und die erweiterte Mütterrente, kündigte Heil an. Voraussichtlich kommendes Jahr solle eine Grundrente für langjährig Geringverdiener auf den Weg kommen.

An der Weichenstellung für die Zeit nach 2025 wolle er, „wo immer es möglich ist“, in dieser Legislaturperiode mitwirken, sagte Heil. Basis sollen Vorschläge der Kommission sein, die bis März 2020 vorliegen sollen.

Die Rente steht laut Heil vor „sehr großen Herausforderungen“: „Die Lebenserwartung steigt, und ab 2025 wird die Generation der Babyboomer (...) Stück für Stück in Rente gehen.“ Aufgabe sei es, Armut im Alter zu vermeiden und Alterssicherung abzusichern. Schon heute könne man sich ausrechnen, dass es künftig eine stärkere Finanzierung der Rente aus Steuermitteln geben werde.

Der von Heil ebenfalls in die Kommission berufene Münchner Rentenforscher Axel Börsch-Supan hatte zuletzt mit der Feststellung für Aufmerksamkeit gesorgt, dass eine längerfristige Haltelinie unbezahlbar sei. „Auf diese demografische Umwälzung allein mit starren Haltelinien beim Beitragssatz und beim Rentenniveau zu reagieren, würde den Steuerzuschuss für die Rente bis 2035 um 80 Milliarden Euro pro Jahr zusätzlich in die Höhe treiben“, sagte er der Deutschen Presse-Agentur.

Eine Stellschraube, um die Renten bezahlbar zu halten, ist grundsätzlich auch längeres Arbeiten. Laut einer Studie von Börsch-Supan müsste das Rentenalter bis 2030 auf 69 und bis 2045 auf 71 Jahre steigen, wenn damit die Kosten der Haltelinien ausgeglichen werden sollten, sofern diese unverändert weiterbestehen sollten.

Heil äußerte sich mit Rücksicht auf die Arbeit der unabhängigen Kommission nicht direkt auf die Frage, ob ein weiteres Heraufsetzen des Rentenalters für ihn ausgeschlossen ist. Allen Menschen, die arbeiten wollten und könnten, sollte dies möglich sein, meinte er lediglich. Richtig seien flexible Übergänge in die Rente.

„Wir haben keine Denkverbote“, sagte die Vorsitzende der Kommission, die ehemalige parlamentarische Arbeits-Staatssekretärin, Gabriele Lösekrug-Möller (SPD). Der Co-Vorsitzende Karl Schiewerling (CDU), ehemals Sozialexperte der Unionsfraktion, betonte, die Kommission wolle auch die private und betriebliche Absicherung in den Blick nehmen. Die weiteren acht Mitglieder sind Vertreter aus Wissenschaft, von Sozialverbänden und der Politik, darunter auch der ehemalige Gesundheitsminister, Unionsfraktionsvize Hermann Gröhe (CDU). Die konstituierende Sitzung soll am 6. Juni stattfinden.

DGB-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach, selbst Mitglied der Kommission, forderte: „Ein verlässlicher Generationenvertrag muss für alle Generationen eine auskömmliche gesetzliche Rente garantieren. Das geht nur mit einem höheren Rentenniveau.“ Mit einer höheren Erwerbsbeteiligung und mehr Steuermitteln für die Rente sei das leistbar.

Der Linke-Rentenexperte Matthias W. Birkwald kritisierte die Berufung Börsch-Supans und warf dem Wissenschaftler „Pseudoberechnungen“ vor. Der FDP-Rentenexperte Johannes Vogel kritisierte: „Zuerst werden teure Wahlkampfgeschenke gemacht (...). Und danach darf die Rentenkommission sich Gedanken machen, wie das in Zukunft finanziert werden soll.“

Arbeitgeberpräsident Ingo Kramer forderte: „Die Koalition sollte die Rentenkommission ernst nehmen und jetzt nicht bereits vorab neue milliardenschwere Leistungsausweitungen beschließen, deren langfristige Finanzierbarkeit ungeklärt ist.“ Oliver Zander, Hauptgeschäftsführer von Gesamtmetall, forderte, Finanzierbarkeit und Generationengerechtigkeit müssten im Mittelpunkt stehen.