Krise wird Löhne sinken lassen Warum Corona das Rentenniveau hebt

Düsseldorf · Die Pandemie setzt den Unternehmen massiv zu. Kurzarbeit und sinkende Löhne werden für Millionen Arbeitnehmer die Folge sein. Und was ist mit den Renten?

Senioren können sich freuen: Während viele Arbeitnehmer wegen der Krise mit sinkenden Löhnen rechnen müssen, sind Rentenkürzungen tabu.

Foto: dpa/Sebastian Gollnow

Corona produziert täglich neue Horrorzahlen. Welches Ausmaß die Pandemie erreichen wird, weiß derzeit allerdings niemand. Aber klar erkennbar ist schon jetzt, dass die ökonomischen Folgen der Krise verheerend sein könnten. Wenn der erzwungene Stillstand des öffentlichen Lebens Monate anhält, droht Millionen Arbeitnehmern nach der Kurzarbeit die Arbeitslosigkeit. Das durchschnittliche Gehalt der Beschäftigten wird in der Rezession sinken.

Da die gesetzlichen Renten der Lohnentwicklung folgen, müssten also auch die Auszahlungen an die Senioren fallen. Aber genau das wird nicht passieren. Denn seit 2009 gilt eine Schutzklausel: Rentenkürzungen darf es hierzulande auch in wirtschaftlichen Notlagen nicht geben. 1000 Euro Rente bleiben 1000 Euro, auch wenn die Löhne fallen. Und was bedeutet das für das Rentenniveau? Es steigt! Je schlimmer die Löhne abstürzen, umso mehr klettert das Rentenniveau.

Das klingt paradox, trifft aber zu, weil das Rentenniveau nicht die Höhe der Rente beschreibt, wie oft vermutet wird. Tatsächlich steht der Begriff für das Verhältnis der durchschnittlichen Rente zum durchschnittlichen Lohn. Sinken die Löhne stark, steigt rein rechnerisch also das Rentenniveau, obwohl die Rentenkasse keinem Rentner mehr Geld überweist.

Während der Finanzkrise 2008/2009 ist genau dieser Fall eingetreten: Die Einkommen der Arbeitnehmer gingen deutlich zurück – und das Rentenniveau erhöhte sich von 50 auf 52 Prozent.

Ab dem Jahr 2025 wird es eng für die gesetzliche Rentenkasse

Derzeit gilt, dass das Rentenniveau nicht unter 48 Prozent sinken darf. Anders als oft gedacht bedeutet das aber eben nicht, dass Rentnern mindestens 48 Prozent ihres letzten Lohns zustehen. Vielmehr geht es um rein statistische Größen.

Dazu ein Zahlenbeispiel der Rentenversicherung aus dem Jahr 2017: Damals betrug der Durchschnittsverdienst 30 661 Euro, die Standardrente (nach 45 Jahren Beitragszahlung als Durchschnittsverdiener) lag bei 14 772 Euro. Das Rentenniveau erreichte also 48,1 Prozent. Gesetzlich ist festgeschrieben, dass die Grenze von 48 Prozent bis 2025 nicht unterschritten werden darf. Gleichzeitig soll der Beitragssatz zur gesetzlichen Rentenversicherung (derzeit 18,6 Prozent) nicht über 20 Prozent steigen. Die Bundesregierung spricht von einer „doppelten Haltelinie“.

Was nach 2025 geschehen soll, weiß die Politik noch nicht. Denn dann wird es schwierig, weil die Generation der Babyboomer in den Ruhestand geht. Mehr Empfänger erwarten also Geld von weniger Beitragszahlern. Eigentlich sollte eine Rentenkommission konkrete Vorschläge erarbeiten, wie das funktionieren kann. Nach zwei Jahren haben die Gutachter jüngst allerdings einen Bericht vorgelegt, der nur wenig Konkretes enthält.

Eine dauerhafte Stabilisierung des Rentenniveaus wird in jedem Fall sehr teuer: Nach Berechnungen des Rentenexperten Axel Börsch-Supan müssten dafür bis 2040 rund 500 Milliarden Euro aufgewendet werden. Um das Rentenniveau bei 48 Prozent zu halten, sieht Börsch-Supan zwei Möglichkeiten: Steuern oder Rentenbeiträge erhöhen. So könnte zum Beispiel die Mehrwertsteuer steigen. Oder der Spitzensteuersatz in der Einkommensteuer. Ein anderer Weg wäre die Anhebung der Beiträge zur Rentenversicherung auf 25 Prozent.

Die Bundesbank bringt eine weitere Option ins Spiel. Sie regt an, das Rentenalter bis 2070 auf 69 Jahre und vier Monate anzuheben. „Durch die demografische Entwicklung gerät die umlagefinanzierte gesetzliche Rentenversicherung künftig unter erheblichen Druck, insbesondere ab Mitte der 2020er-Jahre“, so die Bundesbank im Herbst des vergangenen Jahres. „Die zunehmende Lebenszeit wäre dann mit einer längeren Erwerbsphase verbunden, aber auch die Zeit des Rentenbezugs würde wachsen.“ Nach dem Bundesbank-Vorschlag würden im Jahre 2001 Geborene dann 2070 erst mit 69 Jahren und vier Monaten in Rente gehen. So sei gewährleistet, dass das Rentenniveau von derzeit 48 Prozent nur auf rund 43 bis 44 Prozent sinkt.

Nach der derzeitigen Rechtslage wird die Altersgrenze für den Bezug der gesetzlichen Rente seit 2012 schrittweise von 65 auf 67 Jahre im Jahr 2031 angehoben.