Hintergrund: Der Vatikan als weltliche Macht
Vatikanstadt (dpa) - Über Jahrhunderte führten Päpste des „Kirchenstaates“ auch Krieg, krönten Kaiser und mischten so in der europäischen Politik kräftig mit.
Doch seit 150 Jahren, also mit der Einigung Italiens, verlor die katholische Kirche diesen Status - der heute kleinste Staat der Welt zieht seine politische Macht daraus, das Zentrum des Glaubens von knapp 1,2 Milliarden Menschen zu sein. Von seinem noch nicht einmal einen halben Quadratkilometer großen Territorium hinter den Mauern des Vatikans aus leitet Papst Benedikt XVI. die Weltkirche und ist dabei nicht nur das geistliche Oberhaupt.
Der Vatikan ist eine absolute Wahlmonarchie. Und er gilt als souveräner Saat mit dem jeweiligen Papst als Staatsoberhaupt, einer eigenen Regierung, einer eigenen Armee und Gerichtsbarkeit. Bis zum Siegeszug des italienischen Befreiungshelden Garibaldi im Jahr 1870 erstreckte sich der Kirchenstaat quer durch Mittelitalien bis nach Ravenna. Am 11. Februar 1929 legten dann Papst Pius XI. und Benito Mussolinis Italien mit den Lateranverträgen den Grundstein für den heutigen Vatikanstaat.
Eine kleine Weltmacht bleibt der von Männern regierte Zwergstaat mit der langen Vergangenheit dennoch. Dafür spricht zum einen die große moralische Autorität des Papstes, der sich immer wieder zu brennenden sozialen, internationalen und auch ökologischen Fragen der Zeit äußert. Dazu kommen noch das weltweit enge Netz der Mitarbeiter der Kirche, über die der Vatikan sich immer informieren kann, sowie die Botschaften des Heiligen Stuhls überall in der Welt, Nuntiaturen genannt. Der Nuntius ist der direkte Vertreter des Papstes.
Außerdem hat der Vatikan bei den Vereinten Nationen in New York Beobachterstatus. Er nimmt an wichtigen internationalen Konferenzen teil. Die „sanfte“ Macht des Papstes kann sich im Club der Führungsstaaten somit durchaus Gehör verschaffen - so wie jetzt, wenn Benedikt XVI. an diesem Donnerstag vor dem Bundestag in Berlin reden darf.