Hintergrund: Frühere europakritische Volksentscheide

London/Brüssel (dpa) - Schon vor der Sorge vor einem Brexit haben europakritische Volksentscheide für Turbulenzen gesorgt. Beispiele:

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NIEDERLANDE: Im April 2016 votieren die Wähler in einer Volksabstimmung gegen ein Partnerschaftsabkommen der EU mit der Ukraine, das die übrigen 27 EU-Mitgliedstaaten schon ratifiziert haben. Europakritische Initiativen in den Niederlanden hatten das rechtlich nicht bindende Referendum erzwungen. Schon 2005 hatten die Niederländer einem ersten Entwurf für den EU-Vertrag von Lissabon ihre Zustimmung verweigert. 2008 billigte das Parlament dann den Reformvertrag, ohne das Volk erneut abstimmen zu lassen.

FRANKREICH: Wenige Tage vor dem Nein der Niederländer hatten Ende Mai 2005 bereits die Franzosen den Entwurf für eine EU-Verfassung scheitern lassen. Knapp drei Jahre später stimmte das Parlament für den Lissabon-Vertrag - ohne einen weiteren Volksentscheid.

IRLAND: Die Iren stimmen dem Vertrag von Lissabon im Oktober 2009 mit überraschend großer Mehrheit zu - allerdings erst im zweiten Anlauf. Vierzehn Monate zuvor hatte eine Mehrheit dagegen votiert und die EU in eine politische Krise gestürzt. Bereits im Juni 2001 hatten die Iren den Vertrag von Nizza abgelehnt, der den Weg für die Erweiterung der EU ebnen sollte. Im Oktober 2002 sprachen sich dann in einem zweiten Referendum 62,9 Prozent doch noch für die Annahme aus.

GRIECHENLAND: Inmitten der Schuldenkrise erteilen die Griechen den Sparvorgaben der internationalen Gläubiger im Juli 2015 eine klare Absage. Regierungschef Alexis Tsipras hatte für ein negatives Votum bei dem Referendum geworben. Die Euro-Finanzminister erklären die Verhandlungen für gescheitert. Ein Krisengipfel in Brüssel kann den Austritt Griechenlands aus der Eurozone in letzter Minute verhindern.

DÄNEMARK: Aus Sorge um den Erhalt ihrer nationalen Identität lehnen die Dänen den Euro bei einer Volksabstimmung im Jahr 2000 mit knapper Mehrheit ab. Auch beim ersten Referendum über den Maastrichter Vertrag hatten sie im Juni 1992 mit Nein votiert. Erst nach der Vereinbarung weitgehender Ausnahmeregelungen stimmten die Dänen zu.

GRÖNLAND: 1982 votiert Grönland - als autonomer Teil Dänemarks Mitglied der Europäischen Gemeinschaft - in einem Referendum für den Austritt. 1985 verlassen die Grönländer die Union, bleiben aber assoziiert.

SCHWEDEN: Mit 56,2 Prozent lehnen die Schweden den Euro 2003 in einem Referendum ab. Wie die Dänen behalten sie ihre Landeswährung, die Krone.

NORWEGEN: Bereits in zwei Volksentscheiden haben sich die Norweger gegen einen Beitritt zur Europäischen Union entschieden - 1972 und 1994. Ein weiteres Referendum ist bisher nicht in Sicht: Bis heute lehnen mehr als 80 Prozent der Bevölkerung einen EU-Beitritt ab.

SCHWEIZ: Mit großer Mehrheit stimmen die Schweizer 2001 in einem Volksentscheid gegen den Antrag einer Bürgerinitiative, „unverzüglich“ Verhandlungen über einen EU-Beitritt aufzunehmen. Die Schweiz hatte die EU-Mitgliedschaft schon 1992 beantragt. Das Beitrittsgesuch wurde aber auf Eis gelegt, nachdem das Volk eine Annäherung an die EU kurz darauf abgelehnt hatte.

GROSSBRITANNIEN: Erst nach Nachverhandlungen der Vertragsbedingungen durch Premier Harold Wilson sprechen sich die Briten in einem Referendum 1975 mehrheitlich für einen Verbleib in der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft aus. London war der EWG 1973 beigetreten.