Hintergrund: Kiew befruchtete die Weltliteratur
Kiew (dpa) - Kiew ist nicht nur eine Metropole der russischen und ukrainischen Kultur. Die heutige Hauptstadt der Ukraine hat auch die Literatur in anderen Sprachen befruchtet.
Grund war die jahrhundertelange Randlage im russischen Reich, in und um Kiew mischten sich Völker und Sprachen. Oft genug erzwangen in dem Grenzgebiet Krieg und Umstürze den Weg in andere Literaturen.
Als bedeutendster russischer Schriftsteller aus Kiew gilt Michail Bulgakow (1891-1940), der Schöpfer von „Meister und Margarita“. Aber auch Nikolai Leskow, Anna Achmatowa oder Konstantin Paustowski verbrachten hier einen Teil ihres Lebens.
Bei Kiew wurde der ukrainische Nationaldichter Taras Schewtschenko (1814-61) geboren. Aus der Umgebung stammt auch Scholem Alejchem (1859-1916), ein Klassiker der jiddischen Literatur. Der Pole Jaroslaw Iwaszkiewicz (1894-1980) studierte noch zu Zarenzeiten Jura in Kiew, er schrieb auf Polnisch und Russisch.
Ein anderer Pole namens Jozef Korzeniowski flüchtete aus der Ukraine, fuhr zur See und kam als Joseph Conrad („Lord Jim“) auf Englisch zu literarischem Weltruhm. Der Tscheche Jaroslav Hasek schuf einen ersten Entwurf seines „braven Soldaten Schwejk“, als er im Ersten Weltkrieg Kriegsgefangener in Kiew war. Die französische Autorin Irene Nemirovsky („Suite Francaise“), ermordet von den Nazis 1942, stammte aus Kiew.
Auch große Mittler zwischen den Kulturen brachte die Stadt an der Grenze hervor. Der sowjetische Schriftsteller und Dissident Lew Kopelew (1912-97/„Aufbewahren für alle Zeiten“) setzte sich im deutschen Exil für die Verständigung von Deutschen und Russen ein. Die große Dostojewski-Übersetzerin Swetlana Geier (1923-2010) war eine Russin aus Kiew. Kürzlich hat die FAZ-Kolumnistin Katja Petrowskaja ihren ersten Erzählband auf Deutsch veröffentlicht: „Vielleicht Esther“. Auch sie stammt aus Kiew.