Historiker: Jahrestag des Nazi-Machtantritts vernachlässigt
Weimar (dpa) - Der 30. Januar 1933 als Beginn der Nazi-Diktatur ist nach Einschätzung des Historikers Volkhard Knigge im deutschen Gedächtnis nicht ausreichend präsent.
Der Nationalsozialismus sei von der Geschichtswissenschaft zwar bestens erforscht, sagte der Direktor der Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora der Nachrichtenagentur dpa. „In der Erinnerungskultur ist das Datum jedoch zu einem kalten Gedenktag geworden, der scheinbar keine Bedeutung mehr hat.“ Die Erinnerung habe sich auf die zweite Hälfte der NS-Zeit mit Holocaust und Zweitem Weltkrieg verlagert. „Ohne Vorgeschichte sind die Verbrechen des Nationalsozialismus aber nicht zu verstehen.“ Der Beginn der Nazi-Diktatur jährt sich an diesem Mittwoch zum 80. Mal.
Am 30. Januar 1933 hatte die Ernennung Adolf Hitlers zum Reichskanzler das Ende der Weimarer Republik besiegelt. „Das war das Epochendatum des 20. Jahrhunderts“, sagte Knigge, der sich eine größere Aufmerksamkeit für dieses Thema in den deutschen Museen gewünscht hätte. „Es passiert recht wenig.“ Das Deutsche Historische Museum (DHM) in Berlin zeichnet von diesem Donnerstag an die Folgen der Nazi-Machtübernahme für die einstige Reichshauptstadt nach.
Knigge sagte, gerade der Blick auf die Anfänge der NS-Herrschaft offenbare, dass diese kein Zufall gewesen sei. „Hitler fiel nicht vom Himmel und kam auch nicht von einem anderen Stern.“ Es sei die konservative Elite in Politik und Wirtschaft der Weimarer Republik gewesen, die Hitler den Weg geebnet habe. Bei der Erinnerung an die Frühphase der NS-Diktatur werde auch deutlich, dass diese hätte verhindert werden können, sagte Knigge. „Es hätte nicht dazu kommen müssen.“
Für den Historiker besitzen die Erfahrungen aus dem Weg Deutschlands in die Nazi-Diktatur auch heute noch Gültigkeit. „Es ist nicht unwichtig zu fragen, wohin politische Eliten driften und was sie für Weltbilder haben.“ Keineswegs unaktuell sei auch die Frage nach dem Umgang mit wirtschaftlichen Abstiegsängsten und mit ethnischen Vorurteilen gegenüber einer ganzen Bevölkerungsgruppe. Die Wirtschaftskrise in der Weimarer Republik und die Not breiter Bevölkerungsschichten hatten den Nazis in die Hände gespielt. Der von einem großen Teil der Deutschen geteilte Antisemitismus der Nazis gipfelte im Massenmord an den Juden.