Analyse HSH Nordbank: Ende mit Schrecken und einem „Höllenhund“
Kiel/Hamburg (dpa) - Winteridylle an der Kieler Förde. Die Sonne scheint herrlich, doch es ist eisig kalt - wie bei Verhandlungen in der Finanzwelt.
Im Schleswig-Holstein-Saal des Landeshauses bringen das Kieler Jamaika-Kabinett und der rot-grüne Hamburger Senat die teuerste Entscheidung in der Geschichte ihrer Länder auf die Zielgerade. Dann High Noon. Ab 12.03 Uhr geben Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) und Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) bekannt: Die HSH Nordbank geht an fünf Finanzinvestoren. Die größten Anteile gehen an Cerberus, in der griechischen Mythologie ist das ein Höllenhund, und an J. Christopher Flowers, der schon Miteigentümer ist.
Der Verkauf bringt im besten Fall gut eine Milliarde Euro - und kostet die Länder wegen ihrer Verlustgarantien und wackliger Kredite wohl eine zweistellige Milliardensumme. Maximal sieben Milliarden Euro erwartet Günther für Schleswig-Holstein, diese Summe käme im schlimmsten Fall auch auf Hamburg zu. Finanzsenator Peter Tschentscher (SPD) kalkuliert jetzt eher mit zehn bis elf Milliarden Euro Gesamtschaden. Das wäre viel weniger, als von Skeptikern befürchtet. Aber: „Das ist sehr viel Geld“, sagt Scholz, der dennoch ein „gutes Verhandlungsergebnis“ sieht. „Das ist heute ein schwerer Tag für unsere beiden Länder“ sagt Günther.
Nach quälenden Jahren mit Bangen und Hoffen, Milliardenverlusten und drastischem Personalabbau ist das Ende mit Schrecken nun auf dem Weg. Die entscheidende Sitzung beider Regierungen dauerte nur gut eine halbe Stunde. „Heute ist kein Tag der Freude, sondern ein Tag, an dem wir zu unserer Verantwortung stehen“, sagt danach die Kieler Finanzministerin Monika Heinold (Grüne).
Wenn Landesparlamente, Bankenaufsicht und EU alles billigen, sind beide Nordländer ihre teure Bank bald los - zu einem enorm hohen Preis. Bis zur Finanzkrise vor zehn Jahren war noch alles gut. Allein 2006 bis 2008 flossen aus Gewinnen der Bank insgesamt mehr als 100 Millionen Euro in die bis dato immer klamme Kieler Landeskasse. Das sind Peanuts gegenüber den Milliarden-Miesen in der Schlussrechnung.
„Wir waren besoffen vom Erfolg“, sagte Ex-Ministerpräsidentin Heide Simonis (SPD, 1993-2005) einmal über die fetten Jahre. Aus einer mausgrauen Landesbank hatten ehrgeizige Manager mit Rückendeckung der Politik ein Institut gemacht, das sich auf höchst riskante Geschäfte mit Modellen einließ, die kaum jemand verstand. Riesenverluste waren die Quittung. Der Einbruch im Handel über die Meere riss den weltgrößten Schiffsfinanzierer endgültig in höchste Not.
Das Ganze ging derart schief, dass die Eigentümerländer die Bank vor neun Jahren mit drei Milliarden Euro frischem Kapital und Garantien von zehn Milliarden Euro retteten. Der Traum vom Börsengang hatte sich erledigt. Beide Länder hatten damals eine Gewährträgerhaftung von über 60 Milliarden Euro. Davon sind noch drei Milliarden übrig.
Als fatal hatte sich die Entscheidung der Bank erwiesen, den Garantierahmen zu kürzen, um Gebühren zu sparen. Dann brauchte das Institut doch wieder höhere Garantien, daraufhin schritt die EU rigoros ein. Als sie als Alternative zu einer Abwicklung den Verkauf der Bank forderte, hielten Beobachter das für ziemlich aussichtslos. Dass nun ein beachtlicher Erlös fließen soll, hat manche überrascht.
Gemessen an früheren Befürchtungen sei man gut aus der Kurve gekommen. Das gilt wohl nicht für den HSH-Standort Kiel, dem im schlimmsten Fall Totalverlust droht. „Es gab keinerlei Zusage der Bieter, was den Standort Kiel angeht“, betonte Günther.
Bis Mittwoch um 23.59 Uhr musste der Verkauf besiegelt sein, erst einen Tag vorher war alles unter Dach und Fach. Bis zur letzten Minute wurde telefoniert, verhandelt, an Details gefeilt. Ohne einen Verkauf würde die Bank mit ihren knapp 2000 Mitarbeitern abgewickelt. Wie viele davon nach einem Verkauf übrig bleiben, ist offen.
Mit den künftigen Milliardenverlusten wird beiden Ländern Geld fehlen, das sie gerne für Kitas, Straßenbau, Krankenhäuser, Hochschulen und Wohnungsbau nutzen würden. Nicht auszudenken, der Schlamassel wäre in konjunkturell schlechtere Zeiten gefallen.
Zum Schluss ging alles schnell: Um 10.15 Uhr trat das Kieler Kabinett zusammen, eine halbe Stunde später der Hamburger Senat. Um 11.06 Uhr begann die gemeinsame Sitzung, um 11.34 Uhr fiel der Verkaufsbeschluss. Damit ist nicht alles vorbei, sagte Kiels Finanzministerin Heinold: „Der Schlussstrich unter das Kapitel HSH Nordbank ist erst gezogen, wenn das sogenannte Closing stattgefunden hat und alle Altverpflichtungen in den Landeshaushalt übernommen sind“. Beide Länder hoffen auf den finalen Abschluss noch 2018.