„Jetzt geht es ums Ganze“ - Bayern-Desaster erschüttert FDP
Berlin (dpa) - Die Popcorn-Maschine konnte die FDP um kurz nach 18.00 Uhr eigentlich abschalten. Beim Blick auf die Zahlen verging den Anhängern in der Berliner Parteizentrale die Lust auf Süßes. Fassungslos starrten sie auf die Monitore.
Nur knapp über drei Prozent in Bayern laut Hochrechnungen in ARD und ZDF. Vor fünf Jahren waren es noch 8,0 Prozent. Die bayerischen Wähler werfen die FDP von der Regierungsbank direkt aus dem Landtag. Die Liberalen in akuter Lebensgefahr, eine Woche vor der Bundestagswahl.
Dann zeigt die Uhr 18.27 Uhr - und die Stimmung dreht von Panik in Trotz. Die FDP-Basis beweist, dass die Partei noch lebt. FDP-Chef Philipp Rösler und Spitzenkandidat Rainer Brüderle kommen aus dem Präsidiumszimmer gemeinsam herunter ins Atrium auf die Bühne. Spontan wird applaudiert. Zwei Minuten lang.
Rösler ist bewegt, seine Augen schimmern feucht. Das sei die richtige Einstellung: „Jetzt erst recht, liebe Freundinnen und Freunde!“ Bayern sei immer ein schwieriges Pflaster gewesen. „Wir alle wissen, in Bayern ticken die Uhren anders.“ Erwartbare Worte für ein Desaster. Aber was soll der Vizekanzler auch anderes sagen?
Intern hatte man auf eine vier vor dem Komma gehofft. Jetzt könnten bürgerliche Wähler glauben, eine FDP-Stimme am nächsten Sonntag im Bund wäre verschenkt. Leidenschaftlich stemmen sich Rösler und Brüderle dagegen - und beschwören die Bedeutung der FDP für das ganze Land.
„Dieses Ergebnis ist ein Weckruf für alle Liberalen. Wir werden alle gemeinsam aufstehen“, sagt Rösler. Wenn Schwarz-Gelb scheitern sollte, könnte SPD-Chef Sigmar Gabriel mit der rot-rot-grünen Option im Rücken die Kanzlerin in einer großen Koalition immer erpressen, warnte er. „Dann wird Sigmar Gabriel der mächtigste Mann in Deutschland.“
Brüderle schildert die Lage nicht minder dramatisch. „Diese harte Niederlage macht die Bundestagswahl zur Grundsatzentscheidung.“ Deutschland brauche eine starke liberale Partei im Parlament. „Es geht in der Tat ums Ganze.“
Das Werben um Zweitstimmen ist die letzte Patrone der FDP. Alle FDP-Bundestagskandidaten wurden nun aus der Zentrale per Mail aufgefordert, in ihren Wahlkreisen einen Pakt mit den Unionskollegen zu prüfen. FDP-Anhänger sollen mit Erststimme dem CDU-Kandidaten zum Direktmandat verhelfen. Umgekehrt geben CDU-Leute den Liberalen ihre Zweitstimme, so der Plan. „Schwarz-Gelb ist durch geschicktes Stimmensplitting wählbar“, glaubt Generalsekretär Patrick Döring.
Die Union will da nicht mitspielen, fürchtet ein Nullsummenspiel für Schwarz-Gelb wie in Niedersachsen. CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe mahnte die eigenen Leute, mit beiden Stimmen Kanzlerin Angela Merkel (CDU) so stark wie möglich zu machen. Das könnte schon auf eine große Koalition abzielen. Für die FDP heißt das: Sie muss alleine überleben.