Jubel in Juba - „Wir sind endlich frei“
Juba (dpa) - „Da geht sie runter...“ Mary Matuts Stimme geht fast unter im Jubel der Menschen. Sechs Jahre hat sie auf diesen Tag gewartet. Omar Al-Baschir, der Präsident aus Khartum, senkt die Fahne des Sudans.
Und mit jedem Stück, das die Flagge an diesem Samstag in Juba vom Mast herunterrutscht, ist am zweiten Mast die Fahne des Südsudans ein bisschen besser zu sehen, bis sie unter dem frenetischen Beifall der Menge die Spitze erreicht - als Symbol des jüngsten Staates der Welt.
„Südsudan, Südsudan“, skandieren Tausende auf dem Platz vor dem Mausoleum des Freiheitskämpfers John Garang, schwingen Fahnen in den neuen Landesfarben der Republik Südsudan. Mary Matut reckt sich auf ihrem Plastikstuhl noch ein bisschen höher, wischt Schweiß und Tränen aus ihrem Gesicht. „Das ist unser Tag!“, jubelt sie. „Endlich sind wir frei.“
Mathilde Pasquale hält ihre kleine Tochter fest auf dem Arm. Die Zweijährige blickt ein wenig verstört drein, während um sie herum getrommelt und geschrien wird. Die Unabhängigkeitserklärung und der Amtseid von Präsident Salva Kiir sind kaum zu hören. Die junge Mutter hat dem Mädchen ein Sonntagskleid angezogen. „Sie soll später sagen können, dass sie dabei war, als unser Land geboren wurde“, sagt sie. „Heute ist ein Feiertag für alle Menschen im Südsudan.“
Der Jubel in Juba, der jüngsten Hauptstadt der Welt, kennt an diesem Samstag keine Grenzen. Seit den Morgenstunden schon strömten die Menschenmassen auf den Platz, harrten stundenlang in der glühenden Sonne aus und scherten sich kaum darum, dass die offizielle Unabhängigkeitsfeier mit mehr als eineinhalb Stunden Verspätung begann. „Das ist eben African time - ein afrikanischer Zeitplan“, meint ein junger Mann lakonisch, der sich wie viele der Feiernden die südsudanesische Flagge um die Schultern gehängt hat.
„Heute sind wir Zeugen der Geschichte“, sagt UN-Generalsekretär Ban Ki Moon, der den neuen Staat in der Gemeinschaft der Staaten der Welt begrüßt. Nach langem Kampf werde nun ein neues Kapitel geöffnet: „Die Menschen im Südsudan ergreifen die Freiheit und Würde, die ihr Geburtsrecht sind.“
Charles Alfred Willia ist mit der Bibel in der Hand zur Unabhängigkeitsfeier gekommen. „Das ist ein Freudentag“, sagt der Priester. „Aber er enthält auch Traurigkeit. Es tut weh, dass so viele, die für unsere Freiheit kämpften, diesen Tag nicht erleben konnten.“ Ein beinamputierter Veteran, der noch einmal die alte Uniform aus dem Bürgerkrieg angezogen hat, nickt mit ernster Miene. Rund zwei Millionen Menschen starben in dem jahrzehntelangen Bürgerkrieg, der erst 2005 beendete wurde. Im heutigen Südsudan leben gerade einmal acht Millionen Menschen.
„Free at last“, endlich frei - das ist immer wieder zu hören, auf Plakaten und T-Shirts zu lesen. Das Zitat stammt aus einem alten Sklavenlied, US-Bürgerrechtler Martin Luther King Jr. hatte 1963 mit diesen Worten seine berühmte Rede „I have a dream“ beendet. Für die Menschen im Südsudan ist ihr Traum an diesem Tag in Erfüllung gegangen.
„Wir sind endlich Bürger erster Klasse in unserem eigenen Land“, sagt Manuel Kamlete. Noch leben die meisten seiner Familienangehörigen in Kenia, wohin sie während des Krieges geflohen waren. Kamlete kam 2006 erstmals in den Südsudan zurück. „Damals hielt ich es nur zwei Wochen aus“, gibt er angesichts der enormen Zerstörungen zu.
Zwei Jahre später kam er erneut, sah die Veränderungen, die nur langsam greifen. „Es ist noch so viel zu tun. Wir brauchen echte Demokratie und Entwicklung“, weiß er. „Heute ist nur der erste Tag unseres Landes, und von diesem Tag an müssen wir die richtige Richtung einschlagen.“ Diesmal, so versichert er, ist er gekommen, um zu bleiben.