Kiew wartet auf neue Regierung
Kiew (dpa) - Nach dem Sturz des ukrainischen Präsidenten Viktor Janukowitsch wartet die Ex-Sowjetrepublik weiter auf eine neue Regierung. Die Kandidaten für das neue Kabinett sollten am Abend in Kiew auf dem zentralen Unabhängigkeitsplatz, dem Maidan, vorgestellt werden.
Das teilte der Politiker Waleri Pazkan von der Partei Udar (Schlag) des Ex-Boxprofis Vitali Klitschko mit. Nach Angaben der Partei kommen der frühere Parlamentschef Arseni Jazenjuk sowie der reiche Unternehmer und Ex-Außenminister Pjotr Poroschenko für den Posten des Ministerpräsidenten infrage. Die Wahl der neuen Regierung ist für diesen Donnerstag im Parlament angesetzt.
Angesichts der prekären Finanzlage der verschuldeten Ukraine gilt der Posten der Regierungschefs als das schwierigste Amt. Das Land befindet sich in der schwersten Krise seit Jahrzehnten.
Die internationale Gemeinschaft - allen voran die Europäische Union - macht Finanzhilfen für das angeschlagene Land von der neuen Regierung und ihrem Reformprogramm abhängig. Auch Russland hatte dringend eine Wiederherstellung der Stabilität und Ordnung gefordert.
Interimspräsident Alexander Turtschinow ernannte sich selbst per Dekret zum neuen Oberbefehlshaber über die ukrainischen Streitkräfte. Die Wahl eines regulären neuen Präsidenten ist für den 25. Mai angesetzt. Der Oppositionspolitiker Klitschko hat seine Kandidatur angekündigt. Ob die aus der Haft entlassene Ex-Regierungschefin Julia Timoschenko teilnimmt an der Wahl um das Präsidentenamt, war zunächst wieder offen.
Timoschenko will sich im März wegen eines Bandscheibenvorfalls in Deutschland behandeln lassen. „Jetzt weiß man eben noch nicht, ob sie eine politische Position anstreben wird“, sagte ihre Tochter Jewgenija Timoschenko im ARD-Morgenmagazin. Ihre Mutter habe mit der EU-Außenbeauftragten Catherine Ashton nicht nur über Wirtschaftshilfe des Westens für die Ukraine gesprochen, sondern auch über die strafrechtliche Verfolgung der Verantwortlichen für die Gewaltexzesse vor dem Machtwechsel.
Seit Dienstag vergangener Woche waren mindestens 82 Menschen bei dem Machtkampf in Kiew getötet und Hunderte verletzt worden. Das Innenministerium in Kiew teilte am Mittwoch mit, dass die wegen blutiger Übergriffe auf Demonstranten in die Kritik geratene Sonderpolizei Berkut (Steinadler) aufgelöst worden sei. Einzelheiten des Erlasses waren zunächst nicht bekannt.
Wo sich der abgesetzte Staatschef Janukowitsch aufhält, war weiter unklar. Seine Vorgänger Leonid Krawtschuk, Leonid Kutschma und Viktor Juschtschenko zeigten sich in einer Erklärung besorgt über die gespannte Lage auf der Halbinsel Krim. Sie forderten Russland auf, sich nicht in das Leben der Autonomen Krim-Republik einzumischen. Die Mehrheit der Bewohner sind Russen.
In Sewastopol, dem Stützpunkt der russischen Schwarzmeerflotte, richteten moskautreue Kräfte Grenzposten an den Zugängen zur Stadt ein. Dort übernahm nach einer Straßenabstimmung der Russe Alexander Tschalyi das Bürgermeisteramt. Führende russische Politiker reisten auf die Krim, um die Lage zu sondieren. Die Führung in Moskau befürchtet, dass ukrainische Nationalisten den Autonomie-Status der Halbinsel beenden könnten. Das will Russland nach Angaben aus Moskau nicht zulassen.