Klöckners Flüchtlingsplan und die Grenzen der Machbarkeit
Berlin (dpa) - Tageskontingente für die Flüchtlingsaufnahme und Registrierzentren in der Türkei: Die CDU-Vizevorsitzende und Rheinland-Pfalz-Wahlkämpferin Julia Klöckner meint, die Lösung für die Flüchtlingskrise gefunden zu haben.
Die SPD meint dagegen, Klöckner verbreite alte Ideen, die gar nicht machbar und längst verworfen seien. Was steckt hinter Klöckners „Plan A2“?
Was schlägt Klöckner vor?
Die CDU-Frau plädiert dafür, die Flüchtlingsaufnahme nur noch über Zentren an der deutschen Grenze und Registrierungsstellen in Italien, Griechenland und der Türkei abzuwickeln - und den Zuzug durch täglich veränderbare Kontingente zu steuern. Direkt an der Grenze zu Österreich sollen Erstaufnahmeeinrichtungen entstehen, wo Schutzsuchende registriert werden, Gesundheitschecks durchlaufen und nach einer „Erstprüfung“ ihres Asylantrags entweder auf die Länder weiterverteilt oder wieder aus Deutschland weggeschickt werden.
Gleicht das nicht dem Konzept der sogenannten Transitzonen?
Ja. Klöckner räumt das selbst ein und meint: „Ein Gedanke ist ja nicht falsch, nur weil man ihn wiederholt.“ Außerdem habe sie den Vorschlag weiterentwickelt. Die SPD schüttelt aber den Kopf und erklärt, die Koalition habe diesen Vorstoß vor Monaten verworfen. Die ursprüngliche Idee von Innenminister Thomas de Maizière (CDU) im Herbst war, an der Grenze zu Österreich Transitzonen einzurichten, Flüchtlinge dort bis zu einer Woche festzuhalten und in dieser Zeit zu prüfen, ob jemand Anspruch auf Asyl hat. Die SPD lief damals jedoch Sturm gegen riesige „Haftzonen im Niemandsland“. Am Ende einigten sich die Koalitionäre darauf, fernab der Grenze spezielle Aufnahmeeinrichtungen zu schaffen, in denen Asylanträge von Menschen mit geringer Bleibechance im Eiltempo bearbeitet werden. Das ist Bestandteil des Asylpakets II, das bald ins Kabinett kommen soll.
Klöckner plädiert auch dafür, dass Deutschland Registrierzentren in der Türkei einrichtet - in der Nähe der Grenze zu Syrien und dem Irak. Ginge das überhaupt?
Das müsste Deutschland mit der Türkei aushandeln. Schließlich geht es um türkisches Territorium. Die EU hat erst vor einigen Wochen einen umfangreichen „Aktionsplan“ mit der Türkei in der Flüchtlingskrise vereinbart. Die Umsetzung steht noch aus und gestaltet sich bislang schwierig. Ob die Türkei in dieser Situation einem bilateralen Vorhaben dieser Art zustimmen würde, ist offen.
Wie wäre ist mit der Einrichtung von Tageskontingenten für die Flüchtlingsaufnahme - wäre das möglich?
Kontingente sind eigentlich ein zusätzliches Instrument zur allgemeinen Flüchtlingsaufnahme. Deutschland hatte zum Beispiel spezielle Kontingente für Syrer eingerichtet, um sie gezielt aus Flüchtlingscamps der Region nach Deutschland zu holen, damit sie sich nicht mit Schleppern bis in die Bundesrepublik durchschlagen müssen. Syrer, die es aus eigener Kraft bis nach Deutschland schafften, wurden aber weiter ins Land gelassen. Schließlich ist die Bundesrepublik durch verschiedene Vorgaben und internationale Abkommen verpflichtet, Flüchtlingen Schutz zu gewähren. So verhält es sich auch mit möglichen Tageskontingenten.
Ließe sich die Flüchtlingsaufnahme durch tägliche Kontingente denn überhaupt steuern, wie Klöckner es verspricht?
Nach Auffassung vieler Juristen kann Deutschland nicht einfach Asylsuchende abweisen mit der Begründung, dass schon zu viele im Land seien. Auch der Geschäftsführer der Organisation Pro Asyl, Günter Burkhardt, meint, solche „täglichen Obergrenzen“, auf die Klöckner offenbar abziele, wären nicht vereinbar mit internationalem Recht. „Der Steuerungseffekt, den Klöckner verspricht, ist an der deutschen Grenze nicht machbar“, sagt er. Zu dem Vorschlag der CDU-Frau gehört aber auch, dass die Staaten entlang der Balkanroute und Italien frühzeitig über die jeweiligen deutschen Tageskontingente informiert werden sollten. Burkhardt interpretiert das so: „Das eigentlich Ziel ist, dass die Balkanstaaten und Italien dann ihre Grenzen dicht machen und niemanden mehr durchlassen.“ Der Vorschlag ziele unverhohlen darauf ab, sich vom Asylrecht in Europa zu verabschieden.
Hat der Plan in der Koalition eine Chance?
SPD-Chef Sigmar Gabriel sagt deutlich Nein. Klöckners Vorschlag sei eine reine Wahlkampf-Aktion und werde ganz sicher nicht Gegenstand von Regierungshandeln. Auch andere SPD'ler spotten über die Ideen der CDU-Politikerin. Und Regierungssprecher Steffen Seibert lässt wissen, dass Schwarz-Rot den Vorstoß vorerst nicht aufgreifen werde. Es handele sich um eine „eigenständige Initiative von Julia Klöckner“.