Krankenkassen erwarten neue Finanznöte
Berlin (dpa) - Mit den guten Finanzen der gesetzlichen Krankenkassen könnte in absehbarer Zeit schon Schluss sein. Für 2013 rechnen Kassen mit einem Minus. Zusatzbeiträge sind nicht vom Tisch.
Mehrere große gesetzliche Krankenkassen warnen vor einem nahen Ende der positiven Entwicklung der Einnahmen. Schon 2013 werde der Gesundheitsfonds - die Geldsammelstelle der Kassen - deren Ausgaben voraussichtlich nicht mehr völlig abdecken können, sagte der Vorstandschef von Branchenführer Barmer GEK, Christoph Straub, der Nachrichtenagentur dpa in Berlin.
In punkto Zusatzbeitrag wollte das Bundesversicherungsamt (BVA) für die Zeit nach 2012 keine Prognose abgeben. Der Bundesverband der Betriebskrankenkassen (BKK) warnte, wegen Kostensteigerungen würden weitere Kassenpleiten in Kauf genommen.
„Der Gesundheitsfonds dürfte 2013 wieder unter Druck geraten“, sagte Straub. KKH-Allianz-Chef Ingo Kailuweit sieht 2013 als „kritisches Jahr“. Er glaube nicht, „dass die Konjunktur so gut ist, dass die Einnahmen noch 2013 den Finanzbedarf abdecken werden“. BKK-Verbandsgeschäftsführer Heinz Kaltenbach sagte der dpa: „Das jüngste Plus von 3,9 Milliarden Euro ergibt sich vor allem aus dem Einmaleffekt vergangener Gesetze, wie dem Arzneimittel-Sparpaket.“ Auch Straub erwartet steigende Ausgaben etwa bei Arzneimitteln und Kliniken.
Die Gesundheitsreform der schwarz-gelben Regierung ist auf Zusatzbeiträge und steigende Steuermittel für einen Sozialausgleich angelegt, wenn die Kassen mit dem Geld nicht auskommen. Die DAK, die KKH-Allianz und andere betroffene Kassen haben die Streichung der Aufschläge für die kommenden Monate beschlossen. Die DAK verzichtet ab 1. April auf den Extrabeitrag. Den Kassen reichen angesichts der guten Finanzlage die Zuweisungen aus dem Gesundheitsfonds.
Kailuweit meinte zwar, dass die Regierung im Wahljahr wohl lieber die Steuerzuschüsse erhöht oder die Fonds-Reserve abschmilzt, als es erneut zu Zusatzbeiträgen kommen zu lassen. Für die Kassen sind diese Aufschläge aber alles andere als vom Tisch.
Der Präsident des Bundesversicherungsamts (BVA), Maximilian Gaßner, analysiert die Wirkung des Zusatzbeitrags ähnlich kritisch wie die Kassen: Er habe die ihm zugedachte Funktion als objektives Preissignal nicht erfüllt, sagte er der dpa. „Er gab ein verzerrtes Preissignal.“
Den Kassen, die den Zusatzbeitrag vor rund zwei Jahren einführten, liefen scharenweise Mitglieder davon. Die Pleite der City BKK wuchs sich zum Skandal über anderswo abgewiesene Versicherte aus.
Kaltenbach sagte, die desaströse Wirkung des Aufschlags könne jede Kasse bedrohen. Vehement forderte er, den Zusatzbeitrag abzuschaffen. Kailuweit sagte der dpa. „Er ist ein Weg in die Sackgasse.“ Auch Straub, dessen Kasse noch nicht bei den Versicherten extra zugreifen musste, monierte: „Den Krankenkassen bleibt nur das kurzfristige Ziel der Vermeidung des Zusatzbeitrags.“ Nötig sei mehr Finanzautonomie.
Mit Blick aufs kommende Jahr betonte BVA-Präsident Gaßner: „Auch bei einem größeren Konjunktureinbruch bleibt die finanzielle Lage der Kassen durch das Fondssystem stabil.“ Einnahmerisiken trage der Gesundheitsfonds, der eine ausreichende Reserve habe. Den Kassen seien im neuen Jahr 185,4 Milliarden Euro garantiert.
Der Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB), Michael Sommer, sprach sich für die Abschaffung der Praxisgebühr aus. Es gebe andere Wege, die Krankenkassen zu entlasten, sagte Sommer in einem dpa-Gespräch. Er reagierte damit auf Überlegungen in der schwarz-gelben Koalition, die Abgabe für Kassenpatienten von zehn Euro pro Quartal zu ändern. Im Gespräch ist, fünf Euro bei jedem Arztbesuch zu erheben. Die Praxisgebühr entlastet die Kassen jährlich um knapp zwei Milliarden Euro. Sie hat aber die Erwartungen nicht erfüllt, die in Deutschland überdurchschnittlich hohe Zahl von Arztbesuchen zu reduzieren.