Hintergrund Kritiker und Befürworter des Atomabkommens mit dem Iran

Tel Aviv/Teheran (dpa) - Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hat nach eigenen Worten „neue und schlüssige Beweise“ zu einem geheimen Atomprogramm vorgelegt, das der Iran seit Jahren vor der internationalen Gemeinschaft versteckt haben soll.

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Der Iran weist das zurück.

Netanjahu gehört gemeinsam mit US-Präsident Donald Trump zu den schärfsten Kritikern des Atomabkommens mit dem Iran. Wer vertritt welche Haltung im Atomstreit?

WIENER ATOMABKOMMEN: Das in der Nacht zum 14. Juli 2015 geschlossene Abkommen beendete einen 13 Jahre langen Atomstreit mit dem Iran. Unterzeichner waren außer dem Iran die fünf Veto-Mächte im UN-Sicherheitsrat - USA, China, Russland, Frankreich, Großbritannien - sowie Deutschland. Der Iran verpflichtete sich, für mindestens ein Jahrzehnt wesentliche Teile seines Atomprogramms drastisch zu beschränken, um keine Atomwaffe bauen zu können. Im Gegenzug wurden Sanktionen gegen den Iran aufgehoben und dem Land eine Normalisierung der Wirtschaftsbeziehungen mit dem Westen in Aussicht gestellt.

IRAN: Für den Iran ist die Umsetzung des Atomabkommens weitaus wichtiger als der eventuelle Ausstieg von US-Präsident Donald Trump aus dem Deal. Das Abkommen hat dem Land nicht die erhofften wirtschaftlichen Vorteile gebracht. Besonders wegen Banksanktionen können Handelsprojekte mit dem Westen nicht finanziert werden. Es soll sogar Probleme mit Einnahmen aus Erdölexporten geben. Der iranische Rial ist auf ein Rekordtief gefallen. Präsident Hassan Ruhani steht unter massivem Druck - sogar seine politische Zukunft steht auf dem Spiel. Die Hardliner warten nur auf ein Scheitern des Deals, um ihn zu stürzen und wieder an die Macht zu kommen.

Die KRITIKER:

USA: Trump lässt an dem Deal kein gutes Haar. Er sagt, es sei eines der allerdümmsten und schlechtesten Abkommen überhaupt und hätte nie abgeschlossen werden dürfen. Als enger Verbündeter Israels überzieht Trump den Iran anhaltend mit scharfer Kritik; niemals dürfe Teheran Atomwaffen besitzen. Bis zum 12. Mai muss Trump entscheiden, ob von den USA ausgesetzte Sanktionen gegen den Iran außer Kraft bleiben. Dies wird de facto auch als Entscheidung über den Verbleib der USA in der Atomvereinbarung angesehen. Vielen gilt als sicher, dass die USA aussteigen werden, aber beschlossen sei es noch nicht, so heißt es.

ISRAEL: Ministerpräsident Benjamin Netanjahu gilt schon seit Jahren als schärfster Gegner der Atomvereinbarung mit dem Iran. Der Regierungschef hatte immer wieder gefordert, den Vertrag nachzubessern oder aufzukündigen. Im vergangenen Jahr warnte er vor einer nuklearen Aufrüstung des Irans binnen acht bis zehn Jahren, sollte das internationale Abkommen nicht verändert werden. Der Vertrag habe Iran kriegerischer und gefährlicher gemacht, sagte er. Der Iran hat Israel mit Zerstörung gedroht. Deshalb sieht der jüdische Staat eine mögliche Aufrüstung mit Atomwaffen als derzeit größte Bedrohung seiner Existenz.

SAUDI-ARABIEN: Auch das sunnitische Königreich sieht im schiitischen Iran seinen Erzfeind. Die beiden Regionalmächte ringen in der islamischen Welt um Einfluss. In den Konflikten in Syrien, im Irak sowie im Jemen unterstützen sie entgegengesetzte Parteien. Saudi-Arabien befürchtet, dass der Iran nach dem Wegfall von Sanktionen seine Mehreinnahmen nutzt, um mit seinen Verbündeten nach regionaler Vorherrschaft zu streben. Dementsprechend ablehnend steht Saudi-Arabien dem Atomabkommen gegenüber. Kronprinz Mohammed bin Salman sagte bei einem Interview im März, dass auch sein Land nach der Atombombe streben werde, sollte der Iran diese entwickeln.

Die BEFÜRWORTER:

INTERNATIONALE ATOMENERGIEBEHÖRDE: Die IAEO hat nach eigenen Angaben seit 2009 keine glaubwürdigen Hinweise mehr darauf, dass der Iran an der Entwicklung von Atomwaffen arbeitete. Sie warnt vor einem Ende des Atomdeals. Ein solcher Schritt wäre ein großer Verlust für die Überwachung nuklearen Materials und für das gemeinsame politische Handeln, sagte IAEO-Chef Yukiya Amano. Er bescheinigte Teheran nach nun mehr als zwei Jahren währender strenger Kontrollen durch die IAEO, alle Vorschriften eingehalten zu haben.

EU: Sie sieht das Atomabkommen mit dem Iran als einen Erfolg und versucht, es zu retten. Der Deal zeige, dass die Weiterverbreitung von Nuklearwaffen mit diplomatischen Mitteln verhindert werden könne, lautet die Argumentation in Brüssel. Bislang gebe es keinerlei Hinweise, dass der Iran die eingegangenen Verpflichtungen zur Einschränkung seines Atomprogrammes nicht einhalte.

Dass Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu am Montag versuchte, einen anderen Eindruck zu erwecken, wird von der EU-Außenbeauftragten Federica Mogherini äußerst kritisch gesehen. Sie forderte ihn auf, sich an die Atomenergiebehörde zu wenden, sollte er wirklich Hinweise haben, dass der Iran sich nicht an das Abkommen hält.

Um US-Präsident Donald Trump zu einem Festhalten am Abkommen zu bewegen, wird in der EU derzeit erwogen, den Druck auf den Iran in Bereichen zu erhöhen, die nichts mit dem Atomdeal zu tun haben. So setzen sich Deutschland, Frankreich und Großbritannien dafür ein, neue Sanktionen gegen Personen, Organisationen und Unternehmen zu erlassen, die für die aus EU-Sicht konfliktfördernde Politik des Irans verantwortlich sind oder diese federführend umsetzen.

DEUTSCHLAND: Die Bundesregierung äußerte sich in einer ersten Reaktion zurückhaltend zu den israelischen Vorwürfen. „Klar ist, dass die internationale Gemeinschaft Zweifel daran hatte, dass der Iran ein ausschließlich friedliches Atomprogramm verfolgte“, sagte ein Regierungssprecher der Deutschen Presse-Agentur. Deswegen sei ja 2015 das Atomabkommen mit Teheran getroffen worden. In diesem sei „ein präzedenzlos tiefgreifendes und robustes“ Überwachungssystem der Internationalen Atomenergiebehörde zur Einhaltung des Abkommens eingerichtet worden. „Dieses unabhängige Überwachungssystem ist auch in Zukunft notwendig, um die Einhaltung der nuklearen Beschränkungen, die das Abkommen dem Iran auferlegt, und die ausschließlich friedliche Nutzung der Atomenergie durch den Iran sicherzustellen.“

RUSSLAND: Moskau hat mehrfach betont, keine Alternative zum Atomabkommen oder Änderungen zu akzeptieren. Der geltende Plan müsse von allen Seiten weiterhin strikt eingehalten werden, betonte Präsident Wladimir Putin als Antwort auf die israelischen Anschuldigungen. Das Abkommen sei ein Garant für Stabilität und Sicherheit in der Region. Der Kreml stärkt dem Iran massiv den Rücken - wohl auch, weil Teheran einer der wichtigsten Verbündeten im Syrien-Konflikt ist. Sollte Teheran irgendetwas daran verändern, würde dies Moskaus Position in der Region empfindlich treffen.