Fragen und Antworten Lieber viel Geld als viel Druck? Syrien-Konferenz endet

Brüssel (dpa) - Weil die internationale Krisendiplomatie im Syrien-Konflikt bislang kläglich versagt, werden auch in diesem Jahr wieder deutsche Steuergelder in Milliardenhöhe in Hilfen für die syrische Zivilbevölkerung fließen.

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Auf der Brüsseler Syrien-Konferenz ging es dennoch nur am Rande um die Bemühungen für ein Ende des seit sieben Jahren andauernden Bürgerkriegs mit vermutlich schon mehr als 400.000 Toten. Haben sich die EU und ihre Partner mit ihrer Hilflosigkeit abgefunden? Fragen und Antworten zur Brüsseler Konferenz im Überblick:

Bei dem Treffen in Brüssel waren Vertreter von mehr als 80 Ländern und Organisationen vertreten. Warum wurde da nicht viel intensiver darüber geredet, wie der Konflikt in Syrien beendet werden könnte?

Weil noch immer niemand sieht, wie solche Gespräche zu einem positivem Ergebnis geführt werden könnten. Russland und der Iran sorgen aus geopolitischen Interessen weiter dafür, dass Syriens Präsident Baschar al-Asssad an der Macht bleibt. Sie setzen offensichtlich darauf, dass Assad mit ihrer Unterstützung alle noch von Aufständischen gehaltenen Gebiete zurückerobern kann.

Auf der anderen Seite fordert die syrische Opposition kompromisslos die Absetzung Assads. Vertreter der Opposition und der Regierung wurden wegen der derzeit hoffnungslosen Situation erst gar nicht nach Brüssel eingeladen.

Könnten die EU und andere Länder nicht mehr Druck auf Russland und den Iran ausüben - zum Beispiel mit Sanktionen?

Theoretisch schon. Dies könnte allerdings mit hohen Kosten verbunden sein. Würde die EU beispielsweise neue Sanktionen gegen den Iran verhängen, könnte die Regierung in Teheran das internationale Abkommen aufkündigen, mit dem sie sich zu einem Verzicht auf Atomwaffen verpflichtet hat. Vor zusätzlichen Sanktionen gegen Russland schreckt die EU zurück, weil sie fürchtet, dass man dadurch endgültig in Zeiten des Kalten Krieges zurückkatapultiert werden könnte. Zudem spielen auch wirtschaftliche Erwägungen eine Rolle. Schon die wegen Russlands Rolle im Ukraine-Konflikt verhängten Sanktionen kosten europäische Unternehmen viel Geld.

Bei der Syrien-Konferenz im vergangenen Jahr versprachen die Teilnehmer für 2017 sechs Milliarden US-Dollar an Hilfen für die notleidende syrische Zivilbevölkerung. Haben sie ihre Zusagen gehalten?

Die meisten schon. Insgesamt wurden für Syrien und die anderen von dem Bürgerkrieg betroffenen Länder in der Region sogar 7,5 Milliarden US-Dollar zur Verfügung gestellt. 33 der 42 Geber haben ihre Zusagen erfüllt oder sogar übererfüllt.

Gehört Deutschland auch dazu?

Ja. Die Bundesregierung sagte bei der Konferenz vor einem Jahr rund 1,3 Milliarden Euro zu, was nach damaligem Umrechnungskurs rund 1,4 Milliarden Dollar entsprach. Bereitgestellt wurden nach Zahlen der EU letztlich sogar rund 1,6 Milliarden Euro.

Wird 2018 wieder so viel Geld fließen?

Das ist noch unklar. Weil es wegen der langwierigen Regierungsbildung nach der Bundestagswahl noch keine endgültige Haushaltsplanung gibt, konnte Bundesaußenminister Heiko Maas am Mittwoch lediglich rund eine Milliarde Euro fest zusagen, dazu kommen rund 300 Millionen Euro unter Vorbehalt. Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) befürchtet, dass die Zahlungen letztendlich nicht das Vorjahresniveau erreichen könnten. Insgesamt sieht die Lage noch düsterer aus. Nach vorläufigen Zahlen gab es bei der Brüsseler Konferenz für das laufende Jahr lediglich feste Hilfszusagen in Höhe von 4,4 Milliarden US-Dollar (3,6 Mrd Euro). Im vergangenen Jahr waren es nach damaligen Umrechnungskurs noch 5,6 Milliarden Euro gewesen.

Was ist der Grund für diese Entwicklung?

UN-Nothilfekoordinator Mark Lowcock erklärte das vergleichsweise schwache Ergebnis damit, dass unter anderem die USA noch keine festen Zusagen gemacht hätten. Zudem seien auch geplante EU-Hilfen für die Unterstützung von Syrien-Flüchtlingen in der Türkei noch nicht eingerechnet.

Die deutschen Hilfszusagen machen damit mehr als ein Viertel der bisherigen Gesamtsumme für 2018 aus. Warum gibt die Bundesregierung so viel Geld?

Ein Grund sind die Erfahrungen der jüngsten Flüchtlingskrise. 2016 flüchteten viele Menschen nur deshalb, weil die humanitäre Situation in der Krisenregion mangels Hilfe unerträglich geworden war. Nach aktuellen UN-Zahlen leiden auch heute noch 6,3 Millionen Syrer unter unzureichender Nahrungsmittelversorgung.

Der Chef des UN-Welternährungsprogramms, David Beasley, macht zu den Hilfen eine einfache Rechnung auf. „Es kostet uns 50 Cent am Tag, einen Syrer in Syrien oder in der Region zu ernähren“, sagte er der Deutschen Presse-Agentur. Wenn dieser Syrer aber nach Deutschland flüchte und dann dort untergebracht und versorgt werden müsse, koste dies rund 50 Euro pro Tag. Wer nicht aus Großherzigkeit Geld für notleidende Menschen geben wolle, sollte zudem einfach an seine Sicherheitsinteressen denken, ergänzte Beasley. Der Syrien-Konflikt habe gezeigt, dass mit den Flüchtlingen heutzutage auch islamistische Terroristen nach Europa kämen.

Sollte der Bürgerkrieg eines Tages enden, wird auch das Thema Wiederaufbau eine Rolle spielen. Die Kosten dafür werden von den Vereinten Nationen schon jetzt auf mindestens 250 Milliarden US-Dollar geschätzt. Werden sich Deutschland und die EU daran beteiligen müssen?

Die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini schließt das aus. Geld für den Wiederaufbau werde von der Europäischen Union nur dann kommen, wenn in Syrien ein politischer Übergangsprozess eingeleitet werde, stellte die Italienerin am Mittwoch klar. Zumindest mittelfristig wird das Thema auch als mögliches Druckmittel gegen Russland gesehen. Weil Moskau den Wiederaufbau Syriens alleine nicht finanzieren könne, werde es vielleicht irgendwann doch eine Ablösung Assads unterstützen, heißt es in Brüssel. Dies könnte dann zumindest ein erster Schritt in Richtung Regimewechsel sein.

Wie geht es jetzt weiter?

An diesem Donnerstag wird es auf einer weiteren Syrien-Konferenz in Paris darum gehen, wie der Westen und Russland wieder ins Gespräch kommen können. Es wird erwartet, dass neben den drei Westmächten aus dem UN-Sicherheitsrat - USA, Frankreich und Großbritannien - auch Saudi-Arabien und Jordanien dabei sein werden. Hinzu kommt zum ersten Mal Deutschland, das durch Bundesaußenminister Heiko Maas vertreten sein wird.