Lob und Tadel für Sperrklausel-Urteil
Berlin/Karlsruhe (dpa) - Das vom Bundesverfassungsgericht beschlossene Aus für die Drei-Prozent-Hürde bei Europawahlen ist in der deutschen Politik auf ein geteiltes Echo gestoßen.
Bedauern äußerten am Mittwoch CDU/CSU, SPD und die Grünen, die die beanstandete Sperrklausel gemeinsam mit der FDP zu mitternächtlicher Stunde im Bundestag beschlossen hatten. Positiv reagierten hingegen die zahlreichen Kleinparteien, die nach Karlsruhe gezogen waren, sowie die Linke, die schon im Juni im Bundestag gegen die Drei-Prozent-Hürde gestimmt hatte. Die Reaktionen im Überblick:
- Die Bundesregierung zeigte sich zurückhaltend. Regierungssprecher Steffen Seibert wollte das Urteil ausdrücklich nicht kommentieren. Innenminister Thomas de Maizière (CDU) betonte jedoch, Deutschland habe mit Sperrklauseln gute Erfahrungen gemacht. Sie stärkten die Handlungsfähigkeit der Parlamente. Justizminister Heiko Maas (SPD) hob hervor, dass Schutzklauseln auch weiterhin möglich seien.
- Der stellvertretende CDU-Vorsitzende Thomas Strobl warnte vor einer Zersplitterung des Europaparlaments: „Wenn wir als Deutsche nur 96 Abgeordnete stellen, macht es schon etwas aus, ob diese sich auf sechs oder auf zwölf Parteien verteilen.“ Die EU-Parlamentarier Herbert Reul (CDU) und Markus Ferber (CSU) warnten vor „Splitterparteien und radikalen Kräften“.
- SPD-Vize Ralf Stegner bedauerte das Urteil: „Es ebnet den Weg für Rechtspopulisten und Anti-Europäer, von denen es im Europäischen Parlament schon genug gibt.“ SPD-Bundestagsfaktionschef Thomas Oppermann warnte vor einer Zersplitterung des EU-Parlaments.
- Rebecca Harms, Fraktionsvorsitzende der Grünen im EU-Parlament, beklagte: „Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zeugt von Unkenntnis oder Respektlosigkeit gegenüber dem Europäischen Parlament.“ Was für den Bundestag als schädlich angesehen werde, gelte im Europaparlament als wünschenswert.
- Die Linke begrüßte das Urteil. Ihr Parteivorsitzender Bernd Riexinger twitterte: „Zugangshürden für Parlamente sind Demokratiehürden.“
- Die euroskeptische Alternative für Deutschland (AfD) sprach von einem guten Signal für die Demokratie in Europa. Zum ersten Mal müssten die Wähler in Deutschland nicht befürchten, dass ihre Stimme womöglich verschenkt sei.
- Der Vorsitzende der Piratenpartei, Thorsten Wirth, sagte, mit der Entscheidung des Verfassungsgerichts sei gewährleistet, „dass bei der kommenden Europawahl nicht wieder - wie vor fünf Jahren - ein erheblicher Teil der Wählerstimmen unter den Tisch fällt“.
- Die Ökologisch-Demokratische Partei (ÖDP) zeigte sich ebenfalls erfreut: „Das Urteil der Bundesverfassungsrichter stärkt die Demokratie“, befand der ÖDP-Vorsitzende Sebastian Frankenberger.
- Der stellvertretende Vorsitzende der Freien Wähler, Manfred Petry, hob hervor, jetzt verschwänden weniger Stimmen „von vornherein im Reißwolf“.
- Die rechtsextreme NPD sprach von einem herben Schlag gegen das „Berliner Politkartell“. Der Vorsitzende Udo Pastörs sagte mit Bezug auf das Verbotsverfahren gegen seine Partei, anstelle der NPD müsse jetzt eher die Regierung auf ihre Demokratietauglichkeit geprüft werden.