Lokführer-Warnstreik legt Zugverkehr lahm
Berlin (dpa) - Im Tarifkonflikt bei der Deutschen Bahn zeichnen sich längere Streiks ab. Die Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) werde in den nächsten Tagen voraussichtlich eine Urabstimmung über einen Arbeitskampf einleiten, sagte ihr Vorsitzender Claus Weselsky in Berlin.
Ein dreistündiger Warnstreik der Lokführer durchkreuzte am Morgen die Reisepläne von Zehntausenden Bahnfahrern. Etwa 1000 Züge fielen aus oder waren mit stundenlanger Verspätung unterwegs, wie die Deutsche Bahn mitteilte.
Der Verkehr war nach Unternehmensangaben während des Warnstreiks von 6.00 bis 9.00 Uhr „bundesweit stark beeinträchtigt, kam jedoch nicht komplett zum Stillstand“. Nach Darstellung der GDL fuhren 90 Prozent aller Züge nicht oder hatten große Verspätungen.
Unklar war, inwieweit sich auch Zugbegleiter an dem Warnstreik beteiligten. Die GDL will in der laufenden Tarifrunde auch deren Belange vertreten und macht damit der größeren Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) Konkurrenz.
Die GDL verlangt von der Bahn für das gesamte Zugpersonal 5,0 Prozent mehr Geld und eine um zwei Stunden verkürzte Wochenarbeitszeit. Sie kritisiert eine hohe Zahl an Überstunden, die nicht abgebaut werde, weil die Bahn zu wenig Personal einstelle. Der bundeseigene Konzern bietet bislang nur den Lokführern eine Einkommenserhöhung um 1,9 Prozent.
Sollte die Bahn kein besseres Angebot mehr vorlegen, werde der GDL-Hauptvorstand in der kommenden Woche wohl die Urabstimmung beschließen, sagte Weselsky. „Die nimmt alles in allem womöglich 14 Tage Zeit in Anspruch. Danach sind wir in der Lage und auch bereit, weitere Arbeitskampfmaßnahmen durchzuführen, die dann durchaus länger sein können“, kündigte er an. Nach dpa-Informationen will die GDL auf weitere Warnstreiks verzichten, solange die Urabstimmung läuft.
Die Bahn kritisierte den Warnstreik vom Samstag als überflüssig. Der Konzern sei jederzeit bereit, wieder in die Verhandlungen einzusteigen. Bisher sei die GDL-Spitze den Einladungen aber nicht gefolgt, hieß es.
Weselsky warf der Bahn im Gegenzug abermals vor, Verhandlungen über die GDL-Forderungen zu verweigern. „Stattdessen will sie ihre Hausgewerkschaft EVG mittels Kooperationsabkommen in die Führungsrolle hieven“, kritisierte er - „und das, obwohl die GDL über 80 Prozent der Lokomotivführer und 30 Prozent der Zugbegleiter in den Eisenbahnverkehrsunternehmen und damit mehr als 51 Prozent des Zugpersonals organisiert“.
Von dem zweiten Warnstreik innerhalb von sechs Tagen waren nach Bahn-Angaben vor allem der Nahverkehr, aber auch Fern- und Güterzüge betroffen. Die Schwerpunkte des Streiks lagen demzufolge im Norden Deutschlands, in Berlin, in der Region Leipzig sowie punktuell in Nordrhein-Westfalen und Bayern. Stark ausgedünnt war der S-Bahn-Verkehr in Berlin, Hamburg und anderen Städten.
An den großen Bahnhöfen bildeten sich lange Schlangen, vor allem Urlaubsreisende waren unterwegs. Die Bahn setzte in den Zügen und auf den Bahnhöfen mehrere Hundert Mitarbeiter zur Verstärkung ein - vor allem beim Servicepersonal, den Betriebszentralen und Transportleitungen sowie bei der Reisenden-Information.
Die Bahn rechnete noch den ganzen Tag mit Verspätungen, weil die abgestellten Züge erst wieder in den Betriebsablauf eingebunden werden müssten. Bereits am vergangenen Montag hatte ein Warnstreik die Fahrpläne durcheinandergewirbelt.