Report: Gähnende Leere am Frankfurter Flughafen
Frankfurt/Main (dpa) - Wieder hat ein Streik der Lufthansa-Piloten in Frankfurt Flieger und Passagiere am Boden gehalten - weil die Kapitäne weiter früh in Rente wollen. Am Flughafen wächst inzwischen die Angst vor einem Imageschaden.
Er sitzt in der Ecke in seinem Restaurant und wartet, ob es noch Kunden an die Holztische schwemmt an diesem Nachmittag. „Bisher sieht es nicht danach aus“ sagt Ralf Schweighardt. Er ist der Betriebsleiter von sieben Restaurants und Bars im Transitbereich des Frankfurter Flughafens - und einer Pizzeria in der Abflughalle A. Auf etwas besseres Geschäft hatte der Gastronom gehofft an diesem Freitag. Denn die Lufthansa-Piloten bestreiken die Kurz- und Mittelstreckenflüge, die von diesem größten der deutschen Flughäfen abfliegen.
Doch in der Abflughalle sammelt sich keine Menge von durstigen oder hungrigen Menschen. Alles ist ruhig - trotz Ferienende. Die Passagiere sind vorgewarnt. „Ich höre von den Fluggästen, die ich hier treffe, dass sie Frankfurt künftig meiden wollen“, sagt Schweighardt. Zu oft werde der Flugbetrieb hier durch Streiks von Piloten oder anderen Gewerkschaften gestört. Der Airport habe inzwischen den Ruf eines Streikflughafens, berichtet Schweighardt. Genau das macht dem Geschäftsmann Sorgen. „Das ist auch wieder ein Verlust - jeder Fluggast, der gar nicht erst kommt.“
Ähnliches berichtet Taxifahrer Haroon Habibzai. Er hatte kürzlich Besuch aus Frankreich. „Die haben nach anderen Verbindungen als Lufthansa gesucht“, erzählt er. So machten es inzwischen viele, meint er. Das sei dann auch schlecht fürs Geschäft der Taxifahrer. Überhaupt schade ihm ein Streik wie an diesem Tag, denn die Lufthansa hatte früh genug über ausfallende Flüge informiert.
So hat auch Ingrid Fuchs aus Darmstadt von dem Streik erfahren. Nur konnte sie zu Hause im Internet nicht umbuchen und ist zum Flughafen gekommen. Hier nun hat die Airline ihren Flug nach Göteborg auf Samstag umgebucht - und Ingrid Fuchs könnte eigentlich noch einmal zu Hause schlafen. „Aber ich traue mich nicht, morgen streikt die Bahn, wer weiß, ob ich dann herkomme.“ Deshalb wird sie auf einem der Feldbetten schlafen, die die Lufthansa am Flughafen bereithält.
„Die Lufthansa reagiert viel besser als früher“, sagt eine Frau aus dem Spezialteam des Unternehmens, das sich um Streikopfer kümmern soll. Sie will ihren Namen nicht nennen. „Es gibt sicherlich einige verärgerte und enttäuschte Menschen, die bei uns anrufen“, sagt Kay Kratky, Bereichsvorstand von Lufthansa Passage. Das sagt er noch vor Beginn des Streiks in der Halle A - wo die Zahl der Pressevertreter die Zahl der Passagiere zeitweilig übertrifft.
„Wir glauben eher, dass es noch ruhiger wird, wenn der Streik erst richtig beginnt“, sagt die Lufthansa-Kommunikationschefin, Barbara Schädler, die neben Kratky steht. Und genau das tritt um 17.00 Uhr ein. Keine Schlangen vor den Schaltern, keine aufgeregten Passagiere in den Hallen, keine Hektik in den Gängen des Flughafens. Das Service-Personal von Lufthansa und Fraport in gelben und rosa Westen fällt auf. Kundenandrang dagegen: Fehlanzeige.
Anders im April. Drei Tage lang legten die Lufthansa-Piloten damals ihr Unternehmen so gut wie lahm, der erste von mehreren Streiks am Flughafen in diesem Jahr. Damals kostete das die Airline Millionen. Aber auch die Geschäftsleute litten. „Die Halle war voll, aber der Laden leer“, sagt Tobias Eglseder, der im Bekleidungsshop Lloyd arbeitet. Die Leute liefen bei Streiks gestresst an den Angeboten vorbei, sagt Raul Romera, der nebenan Sonnenbrillen verkauft.
„Katastrophal“ seien Tage wie die im April, sagt Gastronom Schweighardt. Damals war der Transitbereich völlig ohne Gäste, er musste einige seiner Läden komplett schließen. Bis zu 60 000 Euro weniger Umsatz mache er mit seinen acht Betrieben dann.
Ohne gestresste Fluggäste allerdings macht er am Freitag in seiner Pizzeria nicht mehr Geschäft. Für Notfälle stehen ohnehin Wagen mit Getränken und Snacks in der Halle, die von der Lufthansa bereitgestellt werden. Doch nur ein paar Menschen, die ohne Not vorübergehen, nehmen etwas mit. Wie Elham Somekh, die sich gerade ein Wasser greift und überrauscht guckt. „Fast verzeih' ich denen den Streik. Dass die das anbieten hier...“ Selbst von der Piloten-Aktion betroffen ist sie zwar nicht. „Aber ich finde es wirklich nicht gut.“
Lufthansa-Manager Kratky findet den Streik auch nicht gut. Er als Bodenangestellter arbeite wie die meisten anderen Menschen in Deutschland mit dem Rentenziel von 67 Jahren. „Da ist es zumutbar für die sehr privilegierte Gruppe der Piloten, die Verträge etwas zu ändern“, sagt der Manager. Im schon länger schwelenden Konflikt geht es um die Übergangsversorgung für die Kapitäne in ihrem Vorruhestand.
Der demografische Wandel verlange es, dass auch die Piloten länger arbeiten, sagt der Manager. „Da kann man nicht eine einzelne Gruppe ausnehmen.“ Lieber noch als mit der Pflicht vor der Gesellschaft argumentiere er mit der Wettbewerbsfähigkeit der Lufthansa. „Die Renten der Piloten sind ein Kostenfaktor.“
Dass Piloten ihre Ansprüche mit ihrer besonderen Verantwortung begründen, ist für Brillen-Verkäufer Romero allerdings nicht stichhaltig: „Bus- und Zugfahrer haben auch viel Verantwortung.“