Mediziner konzentrieren sich auf neue EHEC-Therapien
Hamburg/Berlin (dpa) - Der Darmkeim EHEC stellt Forscher weiter vor Rätsel: Wie lässt er sich am besten behandeln? Woher kommt er? Dennoch sind Forscher zuversichtlich, eine Therapie zu finden.
Für manche EHEC-Patienten ist es ein Wettlauf mit der Zeit. Seit das Erbgut des gefährlichen Darmkeims entziffert ist, konzentrieren sich Mediziner auf neue Therapien. Trotz erster Erfolge blieb auch am Freitag unklar, wo der Infektionsherd ist.
Eine neue Spur soll in ein Lübecker Restaurant führen. Das berichten am Samstag die „Lübecker Nachrichten“. 17 Menschen sollen sich danach in dem Restaurant mit EHEC infiziert haben. Die Lieferantenkette kann den Forschern womöglich jetzt den entscheidenden Hinweis geben, wie der Erreger in Umlauf gekommen ist. Die „Süddeutsche Zeitung“ hatte zuvor berichtet, dass sich Mitte Mai acht Mitarbeiterinnen der Deutschen Steuergewerkschaft bei einem Treffen in der Hansestadt mit dem gefährlichen Darmkeim angesteckt hatten. Eine sei bereits gestorben.
EHEC bleibt gefährlich - immer wieder werden Neuinfektionen gemeldet. Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) warnt deshalb weiter vor dem Verzehr von rohen Tomaten, Gurken und Blattsalaten. Neue Studien des Robert Koch-Instituts (RKI) stützen dies. Bundesweit nahm die Zahl der EHEC-Infektionen weiter zu, mancherorts jedoch langsamer als in den Vortagen. An HUS sind in Deutschland bereits 18 Menschen gestorben.
Ein juristisches Nachspiel könnte die Informationspolitik Hamburgs haben: Spanische Gemüsebauern wollen Klagen, nachdem es zunächst geheißen hatte, deren Gurken seien Auslöser der Krankheit. Russland, das einen völligen Importstopp für Gemüse aus der EU verhängt hat, verschärfte am Freitag den Ton in dem Handelskonflikt.
Nach Einschätzung der Deutschen Gesellschaft für Nephrologie deutet sich bei der Erkrankungswelle eine leichte Entspannung an. „Die Lage ist so, dass sie scheinbar sich etwas beruhigt, was die Zahl der Neuinfektionen angeht“, sagte der Präsident der Gesellschaft, Prof. Reinhard Brunkhorst, in Hamburg. Die Mediziner wollen in einem bundesweiten Register die Behandlungsergebnisse von schwer erkrankten EHEC-Patienten zusammenstellen.
Das Bild in den Bundesländern war unterschiedlich. In Niedersachsen stieg die Zahl der Verdachtsfälle und bestätigten Erkrankungen von Donnerstag auf Freitag um nur 4 auf 418 Fälle.
Nordrhein-Westfalen dagegen vermeldete im Vergleich zum Mittwoch rund 50 neue EHEC-Fälle. In Schleswig-Holstein stieg die Zahl der EHEC-Fälle seit Dienstag ebenfalls um rund 50 auf 517. 153 davon litten unter der schweren Komplikation hämolytisch-urämisches Syndrom (HUS), teilte das Kieler Gesundheitsministerium mit.
Bundesweit leiden mindestens 520 Patienten an dem lebensgefährlichen Syndrom. Insgesamt wurde bei mehr als 2000 Menschen in Deutschland eine EHEC-Infektion nachgewiesen oder es besteht der Verdacht darauf.
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) zeigte sich betroffen von der Krankheitswelle. „Die Bundeskanzlerin versteht sehr gut die Sorge, die dieses Thema für viele Menschen im Moment bedeutet“, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert. Merkel lasse sich regelmäßig unterrichten.
Woher der EHEC-Erreger kommt, ist nach wie vor ungeklärt, sein Ursprung wird in Deutschland vermutet. Dies ergebe sich nach den Fallzahlen und der Herkunft der Fälle, sagte der Mikrobiologe Lothar Beutin vom Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR). Das Epizentrum sei der Hamburger Raum. „Entweder ist die Quelle noch nicht versiegt, oder es ist eine Mensch-zu-Mensch-Ansteckung wie bei einem Schneeballsystem im Gange“, sagte Beutin der dpa.
Ein erster echter Erfolg im Kampf gegen den tödlichen Keim war Forschern aus Münster sowie aus Hamburg und China gelungen: Sie hatten das Erbgut des Bakteriums entziffert. Prof. Dag Harmsen vom Universitätsklinikum Münster sagte dem Radiosender HR-info: „Wir erhoffen uns im Laufe der nächsten Woche Hinweise zur Verhinderung weiterer Infektionen.“
Nach Erkenntnissen, die die Weltgesundheitsorganisation WHO (Genf) gesammelt hat, ist der Erreger bisher in zwölf Ländern aufgetreten. Infektionen gebe es außer in Deutschland auch in Österreich, Tschechien, Dänemark, Frankreich, den Niederlanden, Norwegen, Spanien, Schweden, Schweiz, Großbritannien und den USA. Von den meisten Patienten ist bekannt, dass sie zuvor in Deutschland waren.