Milliardenhilfe für Griechenland läuft an
Athen/Brüssel/London (dpa) - Mit der größten Staatsumschuldung aller Zeiten verschafft sich Griechenland Luft im Dauerkampf gegen die Pleite.
Nach bangen Monaten mit langwierigen Verhandlungen kam am Freitagmorgen die Erfolgsmeldung aus Athen: Das Finanzministerium gab eine hohe Beteiligung an dem Forderungsverzicht privater Gläubiger bekannt. Um gewaltige 105 Milliarden Euro soll sich der Schuldenberg im Endeffekt verringern. Weil Athen aber nicht ganz ohne Zwang auskommt, werden nun die schwer berechenbaren Kreditausfallversicherungen fällig.
Die Euro-Finanzminister gaben noch am Freitag einen Teil des neuen 130-Milliarden-Hilfspakets für das krisengeschüttelte Land im Südosten Europas frei. Bei einer Telefonkonferenz einigten sich die Kassenhüter darauf, dass 30 Milliarden Euro zur Unterstützung des Schuldenschnitts plus 5,5 Milliarden Euro für die Begleichung aufgelaufener Zinsen nun bereit stehen. Grünes Licht für das komplette Paket soll Anfang nächster Woche bei einem Ministertreffen in Brüssel gegeben werden.
Mit großer Spannung war den ganzen Tag über die Entscheidung des Branchenverbandes ISDA erwartet worden, der die Maßnahmen Athens als Zahlungsausfall wertete. Damit werden die umstrittenen Kreditausfallversicherungen (Credit Default Swaps/CDS) auslöst, mit denen sich bestimmte Halter von griechischen Staatsanleihen abgesichert haben.
Die Organsiation begründete diesen Schritt auf ihrer Website folgendermaßen: Trotz einer hohen freiwilligen Beteiligungsquote wolle Athen alle Halter von Anleihen nach griechischem Recht zum Forderungsverzicht zwingen. Zu diesem Zweck hatte Griechenland vorsorglich bereits ein Gesetz verabschiedet, das die Möglichkeit eröffnet, alte Anleihen rückwirkend mit Zwangsklauseln (Collective Action Clauses/CAC) auszustatten.
Die Entscheidung der in London ansässigen International Swaps and Derivatives Association (ISDA) ist von großer Bedeutung, weil die Kreditausfallversicherungen die letzte große Finanzkrise noch verstärkt hatten, denn mit diesen CDS-Titeln wird auch gezielt spekuliert. Im Fall Griechenland haben Experten jedoch bereits weitgehend Entwarnung geben: Schätzungen zufolge geht es bei diesem Markt um ein Bruttovolumen von rund 70 Milliarden US-Dollar. Da aber viele Investoren zugleich Käufer und Verkäufer von CDS sind, blieben unterm Strich bloß etwas mehr als 3 Milliarden US-Dollar.
Im Detail sieht die Athener Schuldenschnitt-Bilanz nun so aus: Bei den Papieren im Volumen von 177 Milliarden Euro, die nach griechischem Recht ausgegeben worden waren, wurden 85,8 Prozent zum Umtausch eingereicht. Damit will sich der griechische Finanzminister Evangelos Venizelos aber nicht zufriedengeben: Die restlichen Anleihen sollen nun auf dem Weg von Umtauschklauseln zusammenkommen.
Bei den übrigen Anleihen im Volumen von 29 Milliarden Euro beträgt die Beteiligungsquote 69 Prozent. Für diese Anleihen, die nach internationalem Recht ausgegeben wurden, wird die Annahmefrist für das Umtauschangebot bis zum 23. März verlängert.
Die mit den Banken getroffene Grundsatzvereinbarung sieht einen Forderungsverzicht von 53,5 Prozent vor. Der Schuldenberg soll faktisch um gut 105 Milliarden Euro abgetragen werden. Ausgangspunkt ist ein Anleihevolumen von insgesamt 206 Milliarden Euro in der Hand privater Gläubiger, die im Tausch neue Anleihen mit langen Laufzeiten und relativ niedrigen Zinsen erhalten.
Bundeskanzlerin Angela Merkel würdigte den Schuldenschnitt als „ermutigendes Ergebnis“. EU-Währungskommissar Olli Rehn äußerte sich „sehr zufrieden“, verlangte aber wie Merkel die Umsetzung des von Athen zugesagten Spar- und Reformprogramms.
An dem neuen Hilfspaket für Athen wird sich auch der Internationale Währungsfonds (IWF) mit einem „bedeutenden Beitrag“ beteiligen, wie Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble unter Berufung auf IWF-Chefin Christine Lagarde ankündigte.
Der Schuldenschnitt war eine Bedingung der internationalen Helfer für neue Unterstützung. Die Argumentation, mit der private Gläubiger ins Boot geholt wurden: Ohne weitere Hilfen wäre Griechenland bankrott und Anleihegläubiger würde der Verlust ihres gesamten Investments drohen.
Griechenland ist nach Ansicht der Kreditwirtschaft aber noch nicht dauerhaft über den Berg. Für Griechenland sei das Ergebnis „ein Lichtblick, allerdings nicht das Ende der Krise“, sagte Michael Kemmer, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes deutscher Banken (BdB), einer Mitteilung zufolge.
Mit der hohen Beteiligung der privaten Gläubiger ist nach Aussage der Bundesregierung dem Land aber eine „historische Chance“ gegeben worden. „Wir begrüßen, dass sich der Privatsektor in einem hohen Maße freiwillig an der Stabilisierung Griechenlands beteiligen wird“, erklärte das Finanzministerium in Berlin.
Venizelos dankte den Gläubigern, „die unser ehrgeiziges Reform- und Anpassungsprogramm unterstützt und sich an den Opfern des griechischen Volks bei diesem historischen Unterfangen beteiligt haben“. Später sagte er im Parlament: „Zum ersten Mal in der Geschichte des Landes haben wir die Chance, die Schulden des Staates gewaltig zu reduzieren.“
Das Land hängt bereits seit 2010 am internationalen Finanztropf und hatte damals Hilfszusagen von 110 Milliarden Euro bekommen. Bald danach zeigte sich aber, dass diese Kredite nicht ausreichen, um Griechenland dauerhaft vor der Pleite zu bewahren.