Mubarak schlägt Proteste nieder
Kairo/Tunis/Berlin (dpa) - Nach den Tunesiern begehren auch Ägypter gegen Unfreiheit, Korruption und soziales Elend auf. Die Regierung von Präsident Husni Mubarak brachte im ganzen Land tausende Polizisten gegen die Proteste in Stellung.
Vier Tote - drei Demonstranten und ein Soldat, lautet die Bilanz.
Nach dem „Tag des Zornes“ trauten sich auch am Mittwoch wieder Hunderte auf die Straßen Kairos und anderer Städte. Die USA, Deutschland und die Europäische Union riefen die ägyptische Führung zur Mäßigung auf. Der ins Exil nach Saudi-Arabien geflüchtete Ex-Präsident Tunesiens, Zine el Abidine Ben Ali, ist nun bei Interpol aktenkundig und wird per Haftbefehl gesucht.
Mit aller Härte versucht Ägyptens Führung, die aufkeimenden Proteste zu beenden. Drei Todesopfer waren in der Hafenstadt Suez zu beklagen, in Kairo kam ein Soldat ums Leben. Hunderte Menschen wurden verletzt. Die Polizei setzte Wasserwerfer ein und feuerte mit Tränengas und Gummigeschossen.
Doch unbeeindruckt vom brutalen Durchgreifen der Sicherheitskräfte versammelten sich in Kairo sowie in den Provinzen Manufija, Nord-Sinai und Assiut wieder Hunderte von Oppositionellen, um gegen die Regierung des 81-jährigen Mubarak zu demonstrieren. Wieder schlugen die Sicherheitskräfte zu.
Auf Appelle der westlichen Partner reagierte die Führung um den seit 1981 regierenden Mubarak zunächst nicht. Stattdessen blockierten die Behörden den Zugang zum Kurzmitteilungsdienst Twitter. Das ägyptische Blog Bakya Masr berichtete, auch Facebook-Seiten seien nicht mehr zugänglich.
Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP) rief zu mehr Demokratie und Mäßigung auf. „Es ist wichtig, dass die Grundrechte und Grundfreiheiten auch in Ägypten Geltung haben“, sagte er in Berlin. „Wir erkennen in diesen Wochen, dass die Stabilität eines Landes nicht durch die Gewährung von Bürgerrechten gefährdet ist, sondern durch die Verweigerung.“
Regierungssprecher Steffen Seibert fasste die Haltung der Bundesregierung so zusammen: „Das Recht auf friedliche Proteste muss gewahrt blieben. Das gilt auch für Ägypten.“ Westerwelle verteidigte die deutsche Politik gegenüber Kairo. Ägypten spiele eine „konstruktive Rolle“ im Nahost-Friedensprozess.
Das Auswärtige Amt verschärfte seine Reisehinweise. Empfohlen wird nun, Menschenansammlungen und Demonstrationen zu meiden.In den auch bei deutschen Touristen beliebten ägyptischen Urlaubsorten am Roten Meer war von den Unruhen nichts zu spüren. Allerdings sagten die Reiseveranstalter Ausflüge nach Kairo ab. Das Ägyptische Museum, ein Besuchermagnet, liegt direkt am Tahrir-Platz. Dort hatten sich am Mittwochmorgen 50 Menschen zu Protesten zusammengefunden, die Polizisten schlugen sofort zu. „Es wird niemandem erlaubt werden, Aufruhr zu schüren, Protestversammlungen abzuhalten oder Demonstrationen zu organisieren“, sagte ein Sprecher des Innenministeriums.
Die USA forderten die Regierung in Kairo auf, friedlich auf die Proteste zu reagieren. Das Weiße Haus erklärte, die Regierung müsse politische, wirtschaftliche und soziale Reformen fortsetzen. Die Sprecherin der EU-Außenbeauftragten Catherine Ashton sagte in Brüssel: „Wir haben tausende ägyptische Bürger gesehen, die sich in den Straßen Kairos versammelt haben, um politischen Wandel zu fordern. Wir sehen dies als ein Signal der Sehnsüchte vieler Ägypter nach den Ereignissen in Tunesien.“
In Ägypten gilt seit 1981 nach dem Attentat auf Mubaraks Vorgänger Anwar al-Sadat der Ausnahmezustand. Großdemonstrationen werden von der Polizei normalerweise rasch beendet. Amnesty International beklagt Menschenrechtsverletzungen wie Folter und Haft ohne Anklage und Verfahren. An der Börse in Kairo gaben die Kurse am Mittwoch stark nach. Der Aktienindex EGX 30 verlor zeitweise fast fünf Prozent.
Tunesien sucht nach dem Sturz des Präsidenten Ben Ali weiter nach einer stabilen Regierung. Das Übergangskabinett schaltete in Sachen Ben Ali Interpol ein, wie der tunesische Justizminister Lazhar Karoui Chebbi in Tunis sagte. Gegen Ben Ali, seine Frau Leila Trabelsi und mehrere Clan-Mitglieder besteht der Verdacht der Bereicherung und illegaler Devisengeschäfte. Das Land wartete weiter auf eine Umbildung der Regierung. Demonstranten fordern seit Tagen den Rücktritt der Minister, die schon unter Ben Ali im Amt waren.
Seit Tagen belagert eine Menschenmenge rund um die Uhr den provisorischen Sitz der Übergangsregierung im Rathaus der Hauptstadt. Am Mittwoch setzte die Polizei erneut Tränengas ein, um Demonstranten am Durchbrechen einer Absperrung zu hindern.
Der seit 23 Jahren regierende Präsident Ben Ali war am 14. Januar nach tagelangen Protesten ins saudi-arabische Exil geflohen. Die Schweiz fror seine Konten ein. Die EU hat dies ebenfalls vor. Frankreich leitet ein Ermittlungsverfahren ein.
Die Polizeiorganisation Interpol bestätigte den Antrag der tunesischen Übergangsregierung zunächst nicht. Interpol kann seine Mitgliedsländer über einen solchen Haftbefehl informieren, es bleibt aber jedem Land selbst überlassen, die gesuchte Person zur Festnahme auszuschreiben oder nicht.