Nepal ringt mit den Folgen der Katastrophe
Kathmandu (dpa) - Pramod Karki befand sich gerade im Badezimmer, als es krachte und er den Boden unter den Füßen verlor. Vergeblich versuchte er sich an die Tür zu klammern, doch Halt konnte er im Moment des schweren Erdbebens nirgends finden.
Auf allen vieren gelang es ihm schließlich, in den Raum zu krabbeln, in dem sich seine Frau und das nur wenige Tage alte Baby befanden. Den Säugling fest an die Brust gedrückt, kauerte Karkis Frau an einer Wand. „Die Schränke waren über das Bett gefallen. Ich kann mir gar nicht vorstellen, was passiert wäre, wenn sie noch im Bett gelegen hätte“, sagt der Mittdreißiger.
Als die kleine Familie schließlich nach draußen gelangte, sah sie die eingestürzten Häuser ihrer Nachbarn in Kathmandus Bezirk Kalanki. „Da war vor allem Krach und Staub“, beschreibt Karki seine ersten Eindrücke. Seit dem großen Beben vom Samstag hat die Familie - wie so viele Nepalesen - nur noch im Freien geschlafen. „Es gab so viele Nachbeben, dass ich dachte: Das ist das Ende der Welt“, sagt Karki, der sich seitdem mit 50 weiteren Nachbarn auf einem kleinen Platz in der Nähe seines Hauses aufhält.
Tatsächlich erlebten sie am Samstag nicht weniger als das schwerste Beben im Land seit mehr als 80 Jahren - mit einer Stärke von 7,8. Allein in Nepal kamen nach Angaben vom Montag etwa 3900 Menschen ums Leben - Tausende wurden verletzt.
Wer ein Fahrzeug besitzt, macht dieses nicht selten zu seinem neuen Heim. „Es ist wahrscheinlich sicherer in einem Auto, hat mein Mann gesagt“, sagt Muna Lama, die ihr acht Monate altes Baby im Arm hält. „Es hat die ganze Nacht geregnet und wir wussten nicht wohin, also blieben wir im Auto.“ Zudem sei es schwierig geworden, Trinkwasser aufzutreiben, berichtet die junge Mutter.
Wer knapp und halbwegs unversehrt dem Tode entkommen ist, hat wenigstens noch die Möglichkeit, sich an den wenigen Stellen um das Nötigste zu bemühen. Wer hingegen schwer verletzt wurde, dem bleibt zumeist nur das Warten in hoffnungslos überfüllten Krankenhäusern.
So wie Krishna Prasad Sharma, der der „Kathmandu Post“ berichtete, wie er den Einsturz seines Hauses überlebte. „Ich habe die Hand meines Schwagers gegriffen. Da war dieser laute ohrenbetäubende Lärm - und an mehr kann ich mich nicht erinnern.“ Sein Schwager gilt seitdem als vermisst. Es ist einer von Hunderten ähnlichen Fällen im Großraum Kathmandu.
Das örtliche Lehrkrankenhaus hat so viele Verletzte aufgenommen, dass die meisten von ihnen in Zelten vor dem Gebäude untergebracht sind. „Ich war gerade dabei, einem Patienten den Puls zu messen, während meine Freundin eine Flasche mit Kochsalzlösung anschloss, als plötzlich die Erschütterungen begannen“, erinnert sich die Krankenschwester Pramila Shrestha. Kurzerhand seien sie und die Kollegin aus dem Krankenzimmer geflohen. „So behandeln wir Patienten. Jedes Mal, wenn ein Beben kommt, rennen wir noch während der Behandlung nach draußen.“
Ein Ende der Arbeit ist für Shrestha und all die anderen Krankenschwestern und Ärzte noch lange nicht abzusehen. Ringsum sind die Straßen voller Fahrzeuge, weil Menschen noch immer Verletzte bringen. Und als wäre die Lage nicht schon schwierig genug, gibt es auch noch Probleme mit der Stromversorgung. „Wir sind nicht in der Lage, die verschiedenen Maschinen am Laufen zu halten, weil wir keinen Strom bekommen“, sagt Shrestha.
Ein Grund dafür sind die durch das Beben verursachten Schäden an den Energiespeichern der Wasserkraftwerke, was nun Folgen für die Stromversorgung hat. Gehen die Akkus zu Neige, können die Menschen an den meisten Orten weder ihre Handys noch das Internet nutzen. Doch der Stromausfall betrifft auch das Festnetz und die Wasserversorgung.
Ganz zu schweigen von den vielen Toten, die alle bestattet werden müssen. An einigen Orten finden deshalb Massen-Einäscherungen statt. Und während Nachbeben das Land immer wieder erzittern lassen, erklärt Finanzminister Ram Sharan Mahat in wenigen unverblümten Worten, warum sein Land nun dringend auf die Unterstützung durch das Ausland angewiesen ist: „Die Katastrophe hat unserer Wirtschaft einen massiven Schlag versetzt, und wir verfügen nicht über die notwendigen Ressourcen, um das wiederherzustellen, was wir verloren haben.“