Neue Flüchtlingsroute durch Kroatien
Zagreb/Berlin (dpa) - Nach Abriegelung der ungarischen Grenze stellen sich jetzt die EU-Länder Kroatien und Slowenien auf die Durchreise Tausender Flüchtlinge aus den Kriegsgebieten des Nahen Ostens ein.
Der kroatische Regierungschef Zoran Milanovic kündigte am Mittwoch in Zagreb an, dass aus Serbien einreisende Migranten sein Land passieren dürften. Sollte es notwendig werden, werde in Absprache mit Slowenien ein Korridor in Richtung Österreich eingerichtet, erklärte der kroatische Innenminister Ranko Ostojic.
An der ungarischen Grenze zu Serbien kam es zu stundenlangen Tumulten, als aufgebrachte Flüchtlinge versuchten, auf ungarisches Gebiet zu gelangen. Die dortige Polizei reagierte mit Tränengas und Wasserwerfern, wie Ungarns Medien übereinstimmend berichteten. Die Polizei verstärkte ihr Aufgebot, drängte mehrere Dutzend eingedrungene Flüchtlinge wieder über die Grenze zurück. Am Abend beruhigte sich die Lage wieder, als Busse auf Initiative der serbischen Behörden die Migranten abholten und in Auffanglager brachten.
Nach Angaben des ungarischen Regierungsberaters György Bakondi wurden mindestens 20 Polizisten verletzt. Auch unter den Flüchtlingen gab es nach Medienberichten Verletzte. Belgrad protestierte wegen des Tränengaseinsatzes der Ungarn über die Grenze hinweg.
In Ungarn kommen inzwischen kaum noch Flüchtlinge an. Am Dienstag zählte die Polizei nur noch 366 illegal eingewanderte Menschen, wie sie am Mittwoch mitteilte. Kurz vor Abriegelung der Grenze waren es am Montag noch 9380 gewesen. Ungarn war bisher Haupt-Transitland auf der Flüchtlingsroute über den Balkan.
Kroatiens Regierungschef Milanovic sagte im Parlament, die Menschen, die sein Land erreichten, könnten durchreisen. „Diese Leute sind da, es sind Frauen, Kinder und Männer, die leben und etwas erreichen wollen.“ Es seien jedoch Menschen, die nicht in Kroatien leben wollten. Bereits am Mittwochvormittag griff die kroatische Polizei Hunderte Migranten auf. Ungarns Regierungschef Viktor Orban kündigte daraufhin in der „Welt“ an, sein Land werde auch den der Grenze zu Kroatien einen Zaun errichten.
Slowenien liegt zwischen Kroatien und Österreich und gehört bereits zur Schengen-Zone. Das EU-Land Kroatien ist noch kein Schengen-Land. Um das Entstehen neuer Flüchtlingsrouten aus der Türkei zu verhindern, kündigten die EU-Länder Griechenland und Bulgarien an, Grenzzäune zu verstärken.
Österreich stellt sich auf eine Verlagerung der Flüchtlingsrouten in die Alpenrepublik von Ungarn in Richtung Slowenien ein. Die Polizei wollte am Abend mit Kontrollen an der südlichen Grenze zu Slowenien beginnen, sagte Innenministerin Johanna Mikl-Leitner.
Die Versorgung und Sicherheit der Menschen stehe im Vordergrund, sagte Mikl-Leitner. Jeder, der einen Asylantrag stellen wolle, könne dies tun. Die Menschen müssten jedoch wissen, dass Österreich grenzenlose Migrationsströme nicht akzeptieren könne.
Am Salzburger Hauptbahnhof galt die Situation als angespannt, der Zugverkehr von dort nach Deutschland musste eingestellt werden. Bis zu 2000 Flüchtlinge hielten sich am Mittwoch auf dem Areal auf, 1200 hatten bereits die Nacht in einem provisorischen Lager in der Tiefgarage des Bahnhofs verbracht. Später machten sich Hunderte Flüchtlinge zu Fuß auf den Weg Richtung deutscher Grenze.
Die Zahl der Flüchtlinge, die von Österreich nach Deutschland kommen, stieg zuletzt wieder. Unter anderen wurden entlang des Grenzflusses Inn in den Landkreisen Passau und Rottal-Inn seit Dienstag mehr als 1000 Flüchtlinge aufgegriffen. Sie waren zu Fuß über Brücken und Stauwehre auf die deutsche Seite gelangt.
UN-Generalsekretär Ban Ki Moon warb für Verständnis für die Not der Flüchtlinge aus Syrien und anderen Ländern. „Ich bitte jeden, der sich diesen Menschen in den Weg stellt, sich zuerst deren Situation vorzustellen“, sagte Ban am Mittwoch in New York. „Menschen, die jeden Tag Fassbomben und Brutalität in ihrem Land erleben, werden ein Leben woanders suchen. Und Menschen, die zu Hause keine Zukunft sehen, werden woanders nach Chancen suchen. Das ist natürlich. Das ist das, was jeder von uns für sich und seine Kinder machen würde.“
Ban lobte auch das deutsche Engagement für die Flüchtlinge. „Ich bewundere die Politiker und die Bürger in so vielen Ländern, etwa Deutschland, Schweden und Österreich, für ihre Offenheit und ihre Solidarität.“