Obamas schwierige Rolle: Akteur oder Zuschauer?
Washington (dpa) - Barack Obama hat nicht immer eine glückliche Figur im US-Finanzstreit gemacht. Erst wollte er in direkten Verhandlungen mit Kongressführern einen Deal erzwingen - und scheiterte. Dann stand er plötzlich abseits.
Die Musik spielte im Parlament - und der Präsident schaute zu.
Erst am Wochenende griff er wieder beherzt in den Streit ein. Schafft er die Wende? Bringt er endlich den erlösenden Deal? Vom Ausgang der Krise hängen auch seine Chancen für eine Wiederwahl ab.
Kurz vor seinem 50 Geburtstag (4. August) hat der Präsident die schwerste Herausforderung seiner Amtszeit zu bestehen. Selbst wenn eine Staatspleite in letzter Minute abgewendet werden kann - erheblicher Schaden ist bereits angerichtet. Nicht zuletzt: Die Führungskraft des „mächtigsten Mannes der Welt“ durchläuft einen knallharten Stresstest.
Umfragen besagen nichts Gutes: Nach jüngsten Zahlen hoffen nur noch 41 Prozent der Amerikaner auf seine Wiederwahl im November nächsten Jahres. Noch im Mai, nach dem Tod Osama bin Ladens, waren immerhin 48 Prozent für Obama.
Tagelang monierten vor allem Republikaner, der Präsident sei eher Zuschauer als Akteur. Es sei nicht genug, in öffentlichen Reden kluge Ratschläge zu geben. Wenn er eine Lösung wolle, müsse er sich mehr ins Klein-Klein der Verhandlungen einmischen.
Als die Verhandlungen am Samstag in die heiße Phase traten, gab der starke Mann der Republikaner im Senat, Mitch McConnell, seinem demokratischen Kollegen, Harry Reid, glatt einen Korb. Er verhandele nicht mit Reid. Er wolle, dass Obama mit am Tisch sitze.
Und McConnell setzte sich durch. Er schaffte es, dass Obama erneut persönlich in den Ring stieg. Nach einem Gespräch mit Obama verkündeten McConnell und sein Partei-Kollege John Boehner bereits vollmundig, ein Deal sei in Reichweite. Das war zwar etwas voreilig. Aber es ging ein erstes Aufatmen durch Washington: Endlich kommen sich die Streithähne näher, endlich kommt Bewegung in die festgefahrenen Gespräche - und auch Obama war wieder im Spiel.
Sofort ging die Frage um, ob der Mann im Weißen Haus nicht doch noch einen Trumpf im Ärmel habe, ob er noch eine „extra Meile“ in Richtung Kompromiss zu gehen bereit sei. Bei den Demokraten gab es Sorgen, Obama könnte sich als allzu kompromissbereit erweisen, den Republikanern zu sehr entgegenkommen.
Kein Zweifel: Noch niemals in den gut drei Jahren im Weißen Haus war Obama in einer derart schwierigen Situation. Einerseits droht bei einem Scheitern schwerer Schaden für die ohnehin flaue US-Konjunktur. Gibt Obama aber zu viel Terrain auf, könnte ihm das die eigene Basis im Wahlkampf heimzahlen.
Erinnerungen an den Etat-Showdown zwischen Bill Clinton und den Republikanern 1995 werden wach. Auch damals blockierte die republikanische Kongress-Mehrheit Gelder, die Regierung war sogar gezwungen, Teile der Bundesverwaltung zu schließen und Personal in Zwangsurlaub zu schicken. Doch Clinton blieb hart - und ging als Sieger hervor. Ein Jahr später wurde er wiedergewählt.