Opposition: Karlsruher Urteil Ohrfeige für Politik

Berlin (dpa) - Nach dem Karlsruher Urteil zur Sicherungsverwahrung will die Bundesregierung gemeinsam mit den Ländern weitere Reformen in Angriff nehmen. Grundsätzlich sehen Union und FDP aber den Weg, der mit der Neuregelung der Sicherungsverwahrung Anfang Januar eingeleitet wurde, bestätigt.

Dagegen bezeichnete die Opposition das Urteil des Bundesverfassungsgerichts als Ohrfeige für die Politik der Bundesregierung. Die Karlsruher Richter hatten entschieden, dass sämtliche Regelungen zur Sicherungsverwahrung für Schwerverbrecher verfassungswidrig sind und kurzfristig ein neues Konzept her muss.

Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) erklärte, die grundlegende Weichenstellung mit der jüngsten Reform habe das Gericht nicht infrage gestellt. „Die Voraussetzungen, unter denen ein Straftäter in Sicherungsverwahrung genommen werden kann, sind nicht beanstandet worden“, betonte sie. Jedoch seien nun Bund und Länder gefordert, dafür zu sorgen, dass sich die Sicherungsverwahrung deutlicher von der Strafhaft unterscheide und Therapieangebote beinhalte.

Unions-Fraktionsvize Günter Krings erklärte, möglicherweise gebe es auch Handlungsbedarf bei der nach wie vor bestehenden nachträglichen Sicherungsverwahrung im Jugendstrafrecht. Im Kern habe das Karlsruher Gericht aber die Sicherungsverwahrung bestätigt. Krings begrüßte, dass das Gericht dem Gesetzgeber Übergangsregeln einräumte - gefährliche Straftäter also nicht sofort freigelassen werden müssen.

Hingegen wertete der Linken-Justizexperte Wolfgang Neskovic das Urteil als „vernichtende Niederlage“ für die Politik. Er verstehe das Urteil so, dass nun das gesamte Recht neu geordnet werden müsse. Neskovic erneuerte die Forderung der Linken nach einer Expertenkommission. „Wir brauchen eine Reform aus einem Guss“, sagte er. Bislang habe die Politik nur „Flickschusterei“ betrieben.

Der Grünen-Rechtsexperte Jerzy Montag erklärte, die schwarz-gelbe Rechtspolitik stehe vor einem „Scherbenhaufen“. Der Bundestag stehe nun vor einer schwierigen Aufgabe. Bis zum Sommer 2013 müssten sämtliche Regelungen verfassungskonform neu bedacht werden.

Der CSU-Innenexperte Hans-Peter Uhl sieht auf die Bundesländer viel Arbeit zukommen. Länder sollten sich zusammentun, um die kostspieligen Einrichtungen, die das Gericht jetzt fordert, finanzieren zu können. „Mit Psychologen und Therapeuten und speziellen Unterbringungsformen, die familiäre und soziale Außenkontakte ermöglichen, wird das eine andere Art der Unterbringung sein als eine Strafhaft“, sagte er dem Sender N24. Die könne es nicht 16 Mal in Deutschland geben.

Nach langen Diskussionen war erst im Januar eine Reform der schwarz-gelben Koalition zur Sicherungsverwahrung gekommen. Damit wurde die Maßnahme auf schwere Delikte beschränkt. Die nachträgliche Sicherungsverwahrung wurde für Erwachsene grundsätzlich abgeschafft. Täter, die nach einem wegweisenden Urteil des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte vom 17. Dezember 2009 eigentlich freizulassen sind, werden wenn möglich untergebracht - vorausgesetzt, sie sind „psychisch gestört“. Seit Jahren gibt es aber grundsätzlich Kritik daran, dass sich die Sicherungserwahrung zu wenig von einer normalen Haft unterscheidet.