Referendum in Ungarn floppt Orban sieht sich trotzdem als Sieger
Budapest (dpa) - Bei der Stimmabgabe demonstrierte Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban am Sonntag Gelassenheit. Egal, ob die Abstimmung gültig ist oder nicht, ließ er die vor seinem Wahllokal im Budapester Grünviertel Zugliget wartenden Reporter wissen, seine rechts-konservative Regierung werde handeln.
„Wir haben immer gesagt: nur das ungarische Parlament kann entscheiden, mit wem die Ungarn zusammenleben wollen. Und das werden wir gesetzlich festschreiben“, so Orban.
In den letzten Tagen und Wochen vor dem Referendum über die EU-Flüchtlingsquoten hatte Ungarns starker Mann noch ganz anders geklungen. „Ich bin immer ein wenig enttäuscht, wenn die Wahlbeteiligung unter 100 Prozent liegt“, hatte er vor zehn Tagen im Interview mit dem Internet-Portal „origo“ gesagt. „Am 2. Oktober wird sich zeigen, wie scharf das Schwert ist für den Kampf gegen die Brüsseler Bürokraten.“
Mit einer Beteiligung von nur 45 Prozent ist aber die von massiven Regierungskampagnen begleitete Volksabstimmung gescheitert - nötig waren mehr als 50 Prozent. Es ist ein Flop, den das Regierungslager verleugnet. Noch bevor die Wahlbehörde nach Schließung der Wahllokale die Beteiligung bekanntgab, trat Gergely Gulyas, der Vize-Präsident der Regierungspartei Fidesz, vor die Presse. Er nannte die Zahl 45 Prozent, ohne das Wörtchen „ungültig“ über die Lippen kommem zu lassen. Stattdessen sprach er von einem „überwältigenden Sieg“, weil 3,2 Millionen Wähler mit Nein stimmten.
Beim Referendum hatten die Wähler zu entscheiden, ob die EU ohne Zustimmung des ungarischen Parlaments die „Ansiedlung“ von nicht-ungarischen Staatsbürgern vorschreiben darf. Faktisch ging es dabei um schon beschlossene Quotenregelungen zur Verteilung von Asylbewerbern auf die EU-Mitgliedsländer.
Orban war von vornherein klar, dass das vorgeschriebene 50-Prozent-Quorum nicht leicht zu erfüllen war. Der Regierungschef und sein Stab ordneten deshalb eine Art totale Mobilisierung an. Die öffentlich-rechtlichen Medien, regierungsnahe Internet-Portale, Gemeindebedienstete und Ministerialbeamte wurden in die beispiellose Propagandaschlacht eingespannt. Da wurde die Angst vor muslimischen Einwanderern geschürt. „Horden von Invasoren“ wurden heraufbeschworen, geschickt von einer „Hintergrundmacht“, die wiederum durch den US-Milliardär und Philantropen George Soros personifiziert werde. Die Völker Europas sollten so ihres „christlichen und nationalen Charakters“ beraubt werden.
Das Referendum sollte Orban Munition für seine Ambitionen auf der EU-Bühne liefern. In den letzten Monaten hatte er sich als lautstarker Gegner der Asylpolitik der EU-Kommission und von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) in Stellung gebracht. Er schmiedete Allianzen mit Merkels koalitionsinternem Gegenspieler Horst Seehofer (CSU) und mit den anderen Ländern der Visegrad-Gruppe (Ungarn, Polen, Tschechien, Slowakei), die sich gegen die EU-Quoten für die Verteilung von Asylsuchenden zur Wehr setzen.
Die Vertreter der EU-Spitzengremien kanzelte Orban als „Eliten“ ab, die sich den Wählern in den europäischen Ländern „entfremdet“ hätten. EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker und EU-Parlamentspräsident Martin Schulz beschimpfte er als „Nihilisten“.
Gemessen an der Intensität der Hetzkampagne fiel aber das Ergebnis am Sonntag eher mager aus. Ist nun Orbans Schwert, mit dem er die „Nihilisten“ in Brüssel bekämpft, stumpf oder scharf? Für Orban bestehen da wohl keine Zweifel. Da in absoluten Zahlen mehr als drei Millionen Ungarn gegen die EU-Quoten gestimmt haben dürften, wird der Populist aus Budapest sein Schwert als geschliffener denn je empfinden.