Porträt: Abschied von einem großen Tschechen
Prag (dpa) - Vaclav Havel gilt auch über seinen Tod hinaus als moralisches Gewissen der Tschechen. „Ich war ein Träumer und zugleich viel realistischer als die meisten Mitbürger“, sagte Havel einmal über sich selbst.
Der stets bescheiden auftretende Held der „Samtenen Revolution“ von 1989 kämpfte für Demokratie und die Befreiung der Tschechoslowakei von der kommunistischen Herrschaft. Die Massen auf dem Prager Wenzelsplatz katapultierten ihn mit dem Ruf „Havel in die Burg“ in das Präsidentenamt des neuen demokratischen Staates. Die Prager Burg über der Moldau ist Sitz des Staatschefs.
Nach den bleiernen Jahrzehnten unter kommunstischer Führung überraschte Havel als außergewöhnlicher Präsident seine Landsleute. So lud er im Jahr 1990 die Rolling Stones ein, in Prag ein Konzert zu geben. Es wurde von mehr als 100 000 begeisterten Fans besucht. Den Rockmusiker Frank Zappa, der zur Zeit des Kommunismus nur im tschechischen Untergrund bekannt war, ernannte er im gleichen Jahr zum Sonder-Botschafter der Tschechoslowakei.
Nach der friedlichen Trennung von der Slowakei war Havel von 1993 bis 2003 Präsident der Tschechischen Republik. Obgleich das Präsidentenamt als Repräsentativposten galt, füllte Havel es als moralische Instanz aus. Er begleitete seine Landsleute durch den mitunter auch schmerzhaften Transformationsprozess der 1990er Jahre. Havel führte sein Land in EU und Nato und suchte früh eine Aussöhnung mit den deutschen Nachkriegsvertriebenen.
Bis zuletzt musste sich Havel allerdings der Kritik stellen, das Auseinanderbrechen der Tschechoslowakei nicht entschieden genug verhindert zu haben. Außerdem wurde ihm vorgehalten, er habe die negativen Auswirkungen der Privatisierung wie die Korruption zu sehr geduldet. Außenpolitisch unterstützte er die Waffengänge gegen Jugoslawien sowie gegen den Irak und stellte sich damit gegen die Mehrheitsmeinung seines Volkes.
Havel wurde nicht nur als Politiker und Regimekritiker, sondern auch als Dramatiker weltberühmt. Mit seinem Theaterstück „Das Gartenfest“ von 1963 feierte er internationale Erfolge, unterlag aber in seiner Heimat nach der Niederschlagung des Prager Frühlings im Jahr 1968 einem Publikationsverbot. Er war Mitbegründer und Sprecher der Charta 77, die mehr Bürgerrechte einforderte. Für sein Engagement saß er insgesamt knapp fünf Jahre im Gefängnis.
Havel kämpfte bis zuletzt gegen die Unterdrückung der Menschenrechte. Am 12. April diesen Jahres unterzeichnete er einen offenen Brief an den chinesischen Ministerpräsidenten Wen Jiabao, in dem er die Freilassung des Dissidenten Ai Weiwei und anderer Regimegegner forderte.
Mit der Verfilmung seines Dramas „Abgang“ erfüllte sich Havel im vorigen Jahr einen langgehegten Traum. Die Premiere seines Films am 22. März in Prag sollte für den Regisseur und Staatsmann zu seinem letzten öffentlichen Auftritt werden. In „Abgang“ kritisierte er die leeren Worthülsen der heutigen Politik. Er erzählt von einem Kanzler, der sein Amt und damit seine Identität verliert.
Seine Frau aus erster Ehe, Olga, war 1996 gestorben. Die zwischen 1979 und 1982 aus dem Gefängnis geschriebenen „Briefe an Olga“ gaben auch den Lesern im Westen einen Einblick in das Unrecht und die Hoffnungslosigkeit dieser Zeit. Als Folge seiner jahrelangen Gefängnisaufenthalte unter dem kommunistischen Regime litt Havel unter einer chronischen Atemwegserkrankung. Zudem wurde er 1996 wegen Lungenkrebs operiert. Havel war in zweiter Ehe mit der Schauspielerin Dagmar Veskrnova-Havlova verheiratet.