Porträt: Chef-Pirat Baum - lernwillig und gelassen

Berlin (dpa) - Vor Monaten war er noch völlig unbekannt in der Landespolitik. Jetzt rückt der bislang wenig ernst genommene Chef-Pirat Andreas Baum mit dem Sensationserfolg bei der Berlin-Wahl ins Rampenlicht.

Der 33 Jahre alte Kundenberater in einer Internetfirma führte als Spitzenkandidat die Landesliste der Piratenpartei an - jetzt zieht er in der Hauptstadt ins Abgeordnetenhaus ein. „Ich bin einfach baff“, sagte der Spitzenmann der Parlaments-Neulinge in einer ersten Reaktion am Wahlabend.

Auch als die Meinungsforscher den Außenseitern einen noch nie dagewesenen Triumph voraussagten, wirkte der gebürtige Hesse Baum gelassen. Dabei trat er aber auch ein wenig unbedarft auf. Am Wahlabend kündigte er zumindest an, dass er sich jetzt in die Arbeit stürzen werde.

Die Piraten mit mehr als 1000 Mitgliedern im Berliner Landesverband kümmern sich stark um Internetthemen, sie wollen aber vor allem auch verkrustete Strukturen aufbrechen und anders Politik machen: Transparenz und Bürgerbeteiligung spielen für sie eine entscheidende Rolle. „Die Wähler versprechen sich von uns, dass wir frischen Wind ins Abgeordnetenhaus bringen“, sagt Baum, der am Wahlsonntag auch wieder lässig in Jeans und T-Shirt daherkam.

Im Wahlkampf musste er reichlich Häme einstecken, weil er bei einer Interviewfrage zur Höhe der Hauptstadt-Schulden richtig daneben lag. Andere Parteien werfen den Piraten auch vor, sie hätten ein zu dürftiges Profil, zu wenig Inhalte und zu wenig Frauen als Kandidaten.

Der gradlinig wirkende Spitzenkandidat, der zu Hause ohne Fernseher auskommt, gibt zu, daß der Politikalltag für die Piraten noch unbekanntes Terrain ist. Aber auch wenn das Wahlprogramm Lücken aufweist, zeigt sich der in Kassel geborene Internetfachmann selbstbewusst: „Wir sind sehr schnell, was das Lernen angeht.“

In der 2006 gegründeten Piratenpartei engagiert sich der gelernte Industrieelektroniker, der sich den Idealen des Liberalismus verpflichtet fühle, vor allem für Verkehr und Stadtentwicklung. Über seine Motivation sagt der aktive Rennradfahrer und Eishockey-Spieler selber: Er wolle „eine gewisse Gelassenheit der Berliner Piraten erreichen, die auch die nächsten großen Stürme nicht erschüttern“ können.

Mit dem Mandat im Berliner Abgeordnetenhaus wird sich Baum auch über seine berufliche Zukunft Gedanken machen müssen. Seinen Job in der Internetfirma werde er wohl nicht mehr wie bisher ausüben. Denn auch wenn Berlin ein Teilzeitparlament hat, sieht er als Neuling einen Fulltime-Job im Abgeordnetenhaushaus auf sich zukommen. Aber endgültig entschieden sei das alles noch nicht, hatte Baum noch kurz vor dem Wahlsonntag gesagt.