„Apokalyptisches Monster“ Rekord-Sturm „Irma“ wütet in der Karibik

Marigot (dpa) - Als „Irma“ über die Karibikinsel Saint-Martin hinwegfegt, hält auch Präfektin Anne Laubiès nichts mehr an ihrem Schreibtisch. Mit zwei Dutzend Mitarbeitern flüchtet sich die Verwaltungschefin des französischen Überseegebiets in einen betonierten Schutzraum.

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Draußen tobt der Hurrikan. Die Präfektur wird teilweise zerstört, der Strom fällt aus, Dächer werden abgedeckt. Mindestens zwei Menschen kommen in dem heftigen Tropensturm ums Leben, zwei weitere werden schwer verletzt, wie Frankreichs Überseeministerin Annick Girardin sagt.

Das Wasser steht mindestens einen Meter hoch in den Straßen, Pflanzenteile, Holz und Müll treiben umher, Hütten versinken in den Fluten. Daniel Gibbs, der Präsident der Territorialrats von Saint-Martin, sagt: „So etwas haben wir in Saint-Martin noch nicht erlebt. Sogar die Wände wackeln.“ Die Nachbarinsel Saint-Barthélemy oder St. Barth ist sonst vor allem als exklusiver Ferienort des Jetsets bekannt. Jetzt liegt das Urlaubsparadies im Auge des Rekord-Sturms. Senator Michel Magras schreibt in einer Textnachricht an französische Medien: „Ich bin geschockt, von dem Monster, das über uns gekommen ist. Es ist apokalyptisch.“

Das ganze Ausmaß der Zerstörung ist zunächst nicht abzusehen. Experten gehen jedoch vom Schlimmsten aus. „Irma“ ist ein Hurrikan der höchsten Stufe fünf und einer der schwersten jemals in der Region registrierten Tropenstürme. Mit Windgeschwindigkeiten von bis zu 295 Kilometern pro Stunde zieht er am Mittwoch über die Kleinen Antillen im Südosten der Karibik hinweg.

„Bei einer solchen Geschwindigkeit könnten Sie im Grunde nicht mal mehr atmen, wenn Sie im Wind stehen - Sie würden eh wegfliegen“, sagt Tobias Schaaf vom Deutschen Wetterdienst. „Bei solchen Geschwindigkeiten fliegt nicht nur das Dach, sondern das ganze Haus weg. Es ist desaströs.“

Der Staat Antigua und Barbuda kommt ersten Informationen zufolge recht glimpflich davon. Am Mittwoch werden die Hauptstraßen von umgestürzten Bäumen und Schutt geräumt, wie die Zeitung „Antigua Chronicle“ berichtet. Der Flughafen nimmt am Nachmittag den Betrieb wieder auf.

„In den Vorhersagen hieß es, Antigua würde verwüstet, unsere Infrastruktur zerstört, Menschen getötet und unsere Wirtschaft vernichtet. Bei Tageslicht betracht zeigt sich ein anderes Bild“, schreibt Premierminister Gaston Browne in einer vom „Antigua Chronicle“ veröffentlichten Stellungnahme. „In Antigua ist niemand getötet worden. Alle haben überlebt. Den Urlaubern in den Hotels geht es gut. Sogar die Tiere haben wir vor dem schweren Sturm geschützt.“

„Irma“ zieht nun weiter Richtung Jungferninseln, Puerto Rico, Dominikanische Republik und Haiti. Der britische Milliardär Richard Branson will den Hurrikan in seinem Weinkeller aussitzen. „Wir werden uns in den betonierten Weinkeller unter dem Haupthaus zurückziehen“, schreibt der Unternehmer und Abenteurer in seinem Blog. „Wie ich mein Team kenne, wird nicht mehr viel Wein übrig sein, wenn wir wieder herauskommen.“ Branson ist zurzeit auf seiner Privatinsel Necker Island, die zu den Britischen Jungferninseln gehört.

Die kubanische Regierung versetzt unterdessen den Osten der Insel in Alambereitschaft. In den Provinzen Guantánamo, Santiago de Cuba, Granma, Holguín, Las Tunas, Camagüey, Ciego de Avila und Villa Clara sollten sich die Behörden auf den Sturm vorbereiten.

Besonders hart könnte der Hurrikan das bitterarme Haiti treffen. „Das Land ist schlecht auf so einen Sturm vorbereitet. Vor allem an der Nordküste erwarten wir erhebliche Schäden“, sagt Georg Dörken von der Welthungerhilfe, der von der Hauptstadt Port-au-Prince die Hilfsmaßnahmen organisiert. „Wir werden 300 Kubikmeter Lebensmittel sowie Hygiene-Kits und Haushaltsgegenstände in die Region schaffen.“

Im Oktober vergangenen Jahres war Hurrikan „Matthew“ über Haiti hinweggezogen und hatte weite Teile des Südens zerstört. Über 540 Menschen kamen damals ums Leben, Zehntausende verloren ihr Hab und Gut.

„Wir wissen aus der Vergangenheit, dass schon deutlich weniger schwere Stürme auf Kuba, der Dominikanischen Republik und Haiti das Leben und die Existenzen abertausender Menschen zerstört haben“, sagt Claudio Moser von Caritas international. „Wir bereiten uns deshalb angesichts der Vorhersagen auf das Schlimmste vor.“