Report: Fahnenschmuck und Spielzeuggewehr in Ramallah
Ramallah (dpa) - Ein kleines palästinensisches Mädchen steht mit einem Spielzeuggewehr in der Hand in Ramallah am Straßenrand. Ihr Vater streicht ihr zärtlich übers Haar, passt auf, dass sie nicht unter die Räder des ruppigen Autoverkehrs gerät.
Links und rechts kokelt Müll in großen Metallcontainern. Hier am Rande ist Ramallah hässlich und arm, weit weg von den Hinterzimmern der UN-Diplomatie in New York.
Der israelische Militärkontrollposten Kalandia liegt nur einen Steinwurf entfernt. Mit seinen rußgeschwärzten Betonmauern, riesigen Stahltoren und von Farbbeuteln und gefährlicheren Geschossen getroffenen Wachtürmen wirkt er wie eine Szene aus einem Zukunfts- Katastrophenfilm. Insgesamt eine bedrückende Mahnung vor der potenziellen Gewalt zwischen palästinensischen Demonstranten und israelischen Sicherheitskräften, die sich hier schon so oft Bahn gebrochen hat.
Weiter Richtung Zentrum der Stadt mit etwa 100 000 Einwohnern ändert sich das Bild jedoch total. Die Straßen sind mit Fähnchen und Wimpeln in den Farben Rot, Schwarz, Weiß und Grün der palästinensischen Fahne geschmückt, an den meist neuen Autos flattern sie ebenfalls im Fahrtwind.
Es ist Freitag, was dem Sonntag in christlichen Ländern entspricht. Die meisten Geschäfte sind geschlossen, alte Männer saugen an blubbernden Wasserpfeifen, die einen süßlichen Geruch verbreiten. Autos drängeln sich hupend durch die Menschen am Rande des Suqs, dem Markt, auf dem Früchte, Gemüse und billiger Plastiknippes aus Fernost angeboten werden. In knallrote osmanische Fantasieuniformen gezwängte junge Männer verkaufen aus großen Messingkannen undefinierbaren süßen Saft.
„Wenn es hier noch einmal eine Intifada gibt, dann nur eine friedliche“, versichert Abdullah Abu Rahmeh, Koordinator der palästinensischen Nationalkampagne für die staatliche Anerkennung. „Die Israelis wissen sehr gut, wie sie mit einer bewaffneten Intifada fertig werden. Aber sie haben überhaupt keine Erfahrung mit einer friedlichen Intifada, da wissen sie nicht, was sie tun sollen“, meint Abu Rameh. Ob er das als Warnung oder als Hoffnung ausspricht, bleibt unklar.
Um die Ecke plärrt es in ohrenbetäubendem Lärm aus den Lautsprechern der Freitagsmoschee „El Bireh“. Das Sandsteingebäude ist voll besetzt, sogar auf den Stufen davor sitzen die Menschen, meist Männer, für die das Freitagsgebet verpflichtender als für Frauen ist. Die bedienen sich lieber so lange bei einem der Marktstände mit Unterwäsche vor der Moschee.
Unüberhörbar ruft der Imam in seiner Predigt jedoch zur Kompromisslosigkeit mit dem jüdischen Staat Israel auf. „Wir dürfen keinen Zentimeter unseres Landes aufgeben, nicht hier und auch nicht in Tel Aviv und nicht in Haifa“, scheppert die riskante Weisung aus den Blechlautsprechern an der Fassade des Gebäudes. Viele der Zuhörer sitzen mit geschlossenen Augen da, unbeweglich und den Kopf in die Hände gestützt.
Abu Rahmeh äußert sich kurz vor der Predigt versöhnlicher. Obwohl er seit sieben Jahren fast jeden Freitag mit anderen in seinem Heimatort Bilin gegen den israelischen Schutzzaun zum Westjordanland demonstriert, hat er nicht grundsätzlich etwas gegen den übermächtigen Nachbarn Israel: „Wir wollen nur, dass die (israelische) Besatzung endet, dass wir nicht mehr an den israelischen Militärkontrollpunkten in unserem eigenen Land aufgehalten werden, und die schleichende Annexion durch die israelischen Siedler endlich aufhört“. Dann könnten Palästinenser und Israelis gut in Frieden nebeneinander leben. „Aber jetzt muss ich los“, verabschiedet er sich eilig. Zur Moschee.