Report: Panik auf Sumatra - Erinnerungen an 2004
Banda Aceh/Bangkok (dpa) - Das Beben ist gewaltig, alle sind von Panik erfasst: Als am Mittwoch um 15.38 Uhr in der indonesischen Provinzhauptstadt Banda Aceh die Hauswände schwanken und Mobiliar umstürzt, gibt es für mehrere zehntausend Menschen nur eins: raus auf die Straßen und nichts wie weg.
Zu Fuß, auf Mopeds, mit Autos und Kleinlastern fliehen die Bewohner der Insel Sumatra von der Küste. Hauptsache aufwärts, ist die Devise, auf Anhöhen, in die Berge. Den Einwohnern haben sich die Erinnerungen an das verheerende Beben und den Tsunami von Weihnachten 2004 in die Erinnerung gebrannt. Damals überrollten meterhohe Killerwellen den gesamten Küstenstreifen und rissen fast alles Leben mit sich. 170 000 Menschen kamen allein auf Sumatra ums Leben. „Ich bin immer noch traumatisiert von dem Tsunami damals“, sagt Mariam, die mit Nachbarn aus der Innenstadt von Banda Aceh in den höher gelegenen Stadtteil Matai'i geflohen ist. „Ich gehe nur zurück, wenn ich sicher bin, das die Gefahr vorbei ist.“
In Banda Aceh laufen zwei Frauen Arm in Arm die Straße entlang und versuchen vergeblich, ein Handysignal zu bekommen. Von Schäden ist in der Stadt nichts zu sehen. Die Straßen sind aber verstopft, weil die Behörden Tsunami-Alarm ausgelöst haben. Das Fernsehen zeigt eine fünfköpfige Familie, die auf dem Moped unterwegs ist: Vater fährt, der vielleicht vierjährige Sohn steht vor dem Lenker, Tochter und Mutter sitzen hinten, und die Mutter hat noch ein Baby im Arm. Freiwillige regeln den Verkehr und versuchen, den Verkehr in geordnete Bahnen zu lenken.
In einem Video ist eine junge Frau zusammengesunken am Straßenrand zu sehen. Sie wiegt zwei kleine Kinder im Arm - ihr Gesicht ist Stunden nach dem Beben noch von Angst gekennzeichnet. Auf einem Grünstreifen zwischen zwei Fahrbahnen hocken Menschen, die sich möglichst weit von jedem Gebäude niedergelassen haben. Die Region wird immer wieder von Nachbeben erschüttert, eins davon mit 8,1 fast so heftig wie das erste Beben.
Nach dem ersten Erdstoß habe sie ihr Haus gar nicht verlassen, berichtet Marhamah, eine Bewohnerin von Banda Aceh. Dann kam zwei Stunden später das heftige Nachbeben. „Da sind wir dann so schnell gerannt wie wir konnten“, berichtet sie. „Draußen haben Leute geweint, und ein paar Männer sind zur Moschee gegangen und haben gebetet. Ich dachte, es würde wieder so kommen wie 2004.“
Die Menschen sind durch das heftige Beben auf einen Schlag zurückversetzt an jenen Dezembertag, als über Sumatra die Tsunami-Katastrophe hereinbrach. Damals war alles anders. Tsunamis waren nur wenigen Leuten ein Begriff. Es gab kein Warnsystem. Die Menschen sind Beben gewohnt, auch starke. Dass die Gefahr von riesigen Wellen droht, war vielen aber nicht bewusst. Die Wucht der Wellen zerstörte die Küste damals über hunderte Kilometer. Ganze Fischerdörfer wurden ausgelöscht. Ein riesiges Schiff wurde bei Banda Aceh kilometerweit ins Land getragen und sitzt dort heute noch als Mahnmal auf dem Trockenen.
In weiten Teilen von Banda Aceh fällt am Mittwoch der Strom aus, die Stadt versinkt am Abend im Dunkel. Während zahllose Einwohner in den Anhöhen hinter der Stadt ausharren und sich auf eine Nacht im Freien einstellen, fassen sich manche Einwohner schnell. Armia Adi, die mit ihrer Familie auch geflüchtet ist, steht in einer langen Schlange an einer Tankstelle. „Wir haben Sorge, dass wir kein Benzin mehr bekommen, um wieder nach Hause zu fahren“, sagt sie.