Report: „Putin schützt uns“

Simferopol (dpa) - Mit der Ukraine will Nadja nichts mehr zu tun haben. „Kiew hat uns mehr als 20 Jahre wie Dreck behandelt“, sagt die junge Übersetzerin zornig. „Mit Russland kann es nur besser werden.“

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Die Krim setzt große Hoffnungen auf das Nachbarland - mit einem Ergebnis wie zu Sowjetzeiten haben sich die Bewohner der Halbinsel für den Beitritt zur Russischen Föderation ausgesprochen. Internationale Kritik an dem umstrittenen Referendum ficht Nadja nicht an. „Was gibt es denn daran zu zweifeln? Das Ergebnis spricht für sich“, betont die 29-Jährige mit Blick auf fast 97 Prozent Zustimmung.

„Die Krim hat Russland gewählt“, jubelt das Gratisblatt „Westi“ am auf der Titelseite. Die 21-jährige Swetlana hofft auf bessere Arbeitschancen, wenn die Krim ein Teil von Russland ist. „Hier ist die Arbeitslosigkeit vor allem unter uns jungen Leuten groß, es gibt kaum eine Perspektive für uns“, sagt sie. Von den gut zwei Millionen Einwohnern arbeiten nur rund 300 000. Die Wirtschaft der von Kiew abtrünnigen Halbinsel ist stark vom Tourismus abhängig.

Auch Rentner setzen besonders auf die finanziellen Argumente Russlands. „Dann klingelt es in meinem Geldbeutel“, meint der 72-jährige Sergej und lacht. Durchschnittlich 10 000 Rubel (200 Euro) erhalten Pensionäre offiziell in Russland im Durchschnitt. Das ist doppelt so viel wie in der Ukraine - und dann gibt es noch Zuschläge. Experten sind sicher, dass der Kreml für die Krim tief in die Tasche greifen muss.

Sanktionen des Westens oder eine mögliche internationale Isolierung schrecken niemanden in der Krim-Hauptstadt Simferopol. „Wir haben doch dann Putin, der schützt uns“, sagt die 49-jährige Maria. Kremlchef Wladimir Putin sind viele dankbar. „Das ist ein starker Anführer, kein Weichei wie diese ganzen Politiker in Kiew“, sagt auch Übersetzerin Nadja. Visafreie Reisen in die Europäische Union, die für die Menschen im ukrainischen Kernland immer näher rücken, locken sie nicht. „Unsere Beziehungen nach Russland sind wichtiger - dort wohnen unsere Verwandten“, sagt Nadja.

Viele feiern den international kritisierten Beitrittswunsch als Rückkehr in die alte Heimat. „Domoi w Rossiju“ - nach Hause nach Russland, ist der Slogan der moskautreuen Krim-Führung. Und so sagen es auch viele Menschen auf den Straßen von Simferopol. An einem Verwaltungsgebäude ist die ukrainische Fahne bereits mit einer russischen überklebt.

Auf dem Parlament flattert ohnehin schon seit Wochen die russische Flagge im Wind. Während innen die Abgeordneten offiziell das Beitrittsgesuch zur Russischen Föderation beschließen, kontrollieren martialisch gekleidete Bewaffnete die Zugänge. Autos werden angehalten, Passanten müssen ihre Taschen öffnen. Die moskautreue Führung betont, dies sei zum Schutz vor Provokateuren aus Kiew sowie gewaltbereiten Tataren oder Ukrainern.

Nach der riesigen Jubelfeier mit Autokorsos und „Russland“-Rufen kehrt aber der Alltag in Simferopol wieder ein. Gemütlich flanieren viele Menschen durch die Fußgängerzone und lauschen bei strahlendem Sonnenschein einer Gruppe von Straßenmusikern. An der Lenin-Statue zeigt ein Jugendlicher auf einem Sportrad seine BMX-Tricks. Aber weiterhin bilden sich an Geldautomaten zum Teil lange Schlangen. Manche Menschen sind skeptisch, ob bei der geplanten Umstellung von der ukrainischen Griwna auf den russischen Rubel alles glatt läuft.

Fraglich ist auch, wie vor allem die Wasserversorgung sichergestellt werden soll. Bislang kommt das Wasser vom ukrainischen Festland. „Die können uns mit einem Schlag trockenlegen, das trifft auch unsere Landwirtschaft“, warnt der Bauingenieur Alexander. Zwar hat Regierungschef Arseni Jazenjuk in Kiew angekündigt, Gas, Strom und Wasser nicht anzutasten. Aber Alternativen sind dringend notwendig.

Gegner des international kritisierten Referendums sind kaum zu finden. Die wichtige Minderheit der muslimischen Tataren, die traditionell ein gutes Verhältnis zu Kiew haben, gibt sich wortkarg. „Können wir uns nicht Deutschland anschließen“, meint eine Kellnerin in einem tatarischen Restaurant. Groß ist ihre Furcht vor einem Leben in Putins Russland. „Wir wollen nicht in der Sowjetunion wohnen“, sagt die junge Frau zum Abschied.