Analyse: Putin holt die Krim nach Russland zurück

Moskau (dpa) - Mancher in Moskau vergleicht die Stimmung nach dem Krim-Referendum mit dem Mauerfall. Auch Gorbatschow, einer der Väter der Deutschen Einheit, lobt den historischen Schritt. Doch auf Kremlchef Putin kommt eine harte Zeit zu.

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Und teuer wird es.

Gleich mit zwei Großfeuerwerken hat Kremlchef Wladimir Putin am Schwarzen Meer Russlands neue Siege feiern lassen - in Sotschi und auf der Krim. Nicht nur aus den ersten russischen Paralympischen Spielen ging der Gastgeber in der Nationenwertung als Medaillensieger hervor. Fast zur gleichen Zeit feierten auch mit einem Feuerwerk die Bewohner auf der zur Ukraine gehörenden Halbinsel Krim ihre „Heimkehr“ nach Russland. Putin will ungeachtet von Sanktionen des Westens die Aufnahme des Territoriums vorantreiben.

„Die Krim trennt sich von der Ukraine“ und „Die Krim kehrt nach Russland zurück!“ war auf den Titeln der großen Boulevardzeitungen in Moskau zu lesen. Das Staatsfernsehen schaltete immer wieder auf die Krim: Freudentaumel, russische Nationalhymne, Autokorsos und Fahnen, singende Matrosen der Schwarzmeerflotte. Gefeiert wurde auch Putin.

Doch jetzt, da sich der Pulverdampf des Feuerwerks verzogen hat, beginnen viele, auch im Moskauer Staatsapparat, sich mit den schweren finanziellen und rechtlichen Folgen des Weltereignisses zu befassen. Der Anschluss der Halbinsel mit ihren zwei Millionen Bewohnern ist für das ohnehin schon strapazierte russische Staatsbudget eine große Belastung. Von 88 Milliarden Rubel Zusatzkosten - also fast zwei Milliarden Euro - im Jahr berichtet etwa die Zeitung „Wedomosti“.

Kommentatoren warnen, dass die Olympischen Winterspiele in Sotschi mit Rekordkosten von 37,5 Milliarden Euro ein Klacks gewesen seien im Vergleich zu dem, was an Infrastrukturkosten für die Erneuerung der Krim jetzt komme. Die Halbinsel mit vielen Prachtbauten aus Zarenzeiten galt lange als „Fremdkörper“ in der Ukraine.

Das beliebte Urlaubsziel mit riesigen Sanatorien etwa in Jalta gilt als sowjetisch rückständig. Die Ukraine steht seit langem in der Kritik, kein Geld in das traditionell russisch geprägte Gebiet zu investieren. Bei den Menschen, die sich nun für einen Russland-Beitritt entschieden haben, sind die Hoffnungen auf ein besseres Leben groß.

Moskau hat Renten wie auf russischem Niveau versprochen - etwa das Doppelte der ukrainischen Zahlungen, die zuletzt wegen des drohenden Staatsbankrotts nicht mehr vollständig flossen. Es geht um 600 000 Rentner. Auch die etwa 200 000 Staatsbediensteten sollen so bezahlt werden wie in Russland. Das Pro-Kopf-Einkommen auf der Krim liegt Analysten zufolge aktuell bei 10 800 Rubel (200 Euro) - in Russland bei 37 000 Rubel.

Die Aufnahme der Krim wird teuer für Russland. Doch stehen die Russen im Ruf, für das, woran ihr Herz hängt, gar nicht aufs Geld oder die Folgen zu schauen. Der Rubel soll schon in den nächsten Tagen auch als Währung auf der Krim rollen.

Putin, der auf Währungsreserven sitzt, die zu den größten der Welt gehören, dürfte am Dienstag bei seiner eigens angesetzten Rede im prunkvollen Georgssaal im Kreml wohl nicht nur die Arme weit öffnen für die Krim-Bewohner, sondern auch die Schatulle. Knapp 500 Milliarden Dollar hat die nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion wieder erstarkte Rohstoffmacht heute angehäuft.

Das Russland-Referendum auf der Krim habe eine historische Ungerechtigkeit wieder gutgemacht, sagte am Montag der Friedensnobelpreisträger Michail Gorbatschow (83). Der Ex-Sowjetpräsident, einer der Väter der Deutschen Einheit, gilt zwar als einer der schärfsten Kritiker von Putins Politik, nimmt den Kreml-Kurs in der Krim-Krise aber in Schutz.

„Wenn die Krim früher per sowjetischen Gesetzen der Ukraine angegliedert wurde, ohne das Volk zu fragen, dann hat das Volk jetzt selbst entschieden, diesen Fehler zu korrigieren. Das ist zu begrüßen und nicht mit Sanktionen zu bestrafen“, meinte der Ex-Kremlchef, der im Westen weit mehr geschätzt wird als in seiner Heimat.

Und der sonst eher beherrschte Analytiker des US-amerikanischen Carnegie Centers in Moskau, Dmitri Trenin, twitterte, dass ihn die Bilder von der Krim an den Mauerfall vor 25 Jahren erinnerten. „Was zusammengehört, wird zusammenwachsen“, schrieb er auf Deutsch. Ein neues Kapitel in der Geschichte Osteuropas sei aufgeschlagen. Trotz aller berechtigter Zweifel sei das Streben der Krim-Bewohner nach Russland eine Tatsache. Der Anschluss sei nur noch eine „technische“ Sache. Putin habe es geschafft, die Krim „ohne einen Schuss“ nach Russland zurückzuholen.