Report: Syrische Flüchtlinge hoffen auf Zukunft in Deutschland

Hannover/Beirut (dpa) - Umarmungen, Tränen, große Hoffnungen: Für die syrischen Flüchtlinge ist der Flug nach Hannover ein Wechselbad der Gefühle. Es schmerzt, die Heimat zurückzulassen. Aber Deutschland verspricht ein neues Leben.

Fröhlich lächelnd pustet der zweijährige Jan mit den Seifenblasen, die ihm nach der Landung in Hannover in die Hand gedrückt werden, in Richtung der Fotografen: Für die Kinder der ersten Syrien-Flüchtlinge, die Deutschland in einer Sonderaktion am Mittwoch aus dem Krisengebiet holt, sind die ersten Schritte in der neuen Heimat am leichtesten.

Mit ihrer Unbefangenheit machen die Kleinen auch ihren erschöpft im Terminal sitzenden Eltern Mut auf dem künftigen Weg, der zunächst in das Durchgangslager Friedland führt. Auf Arabisch wünscht ihnen Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius (SPD) „Willkommen“, ein Dolmetscher erklärt erste praktische Dinge.

Für die Flüchtlinge, die mit dem Charterflieger in Deutschland eintreffen, ist es ein Wechselbad der Gefühle. Am Morgen noch verteilt Salam al-Husseini Luftküsse und winkt ihrer Familie noch einmal zu, ehe sie in der libanesischen Hauptstadt Beirut den Bus zum Flughafen besteigt. Die 13-Jährige hat in ihrer vom Bürgerkrieg gezeichneten Heimat Syrien Schlimmes erlebt. Vor eineinhalb Jahren schlug in ihrem Haus in der Unruheprovinz Homs eine Mörsergranate ein, das Mädchen wurde am Kopf schwer verletzt.

Nun hat Salam die Krisenregion verlassen. Zusammen mit ihrem Vater, ihrer Mutter und zwei Schwestern gehört sie zu den ersten 5000 syrischen Flüchtlingen, die Deutschland aus dem Krisengebiet holt. Zudem kamen seit dem Ausbruch des Konflikts in Syrien im März 2011 nach Behördenangaben bereits rund 18 000 Flüchtlinge nach Deutschland, um hier Asyl zu beantragen.

„Salam ist meine größte Sorge“, erzählt ihr Vater Fawas al-Husseini. „Sie ist erst 13, und ich weiß, dass sie nie wieder laufen und ein normales Kind sein wird“, sagt er der Nachrichtenagentur dpa in Beirut. „Aber zumindest wird sie in Deutschland vernünftig medizinisch versorgt werden.“

Salams Schwestern Rajan (16) und Omeimma (14) träumen indes von etwas, was für viele andere Kinder Alltag ist: „Wir waren fast drei Jahre nicht mehr in der Schule. Nun haben wir die Chance, wieder in Frieden zu leben“, sagt die Ältere.

Von den 107 Flüchtlingen, die am Mittwoch in Hannover eintrafen, sind 38 Kinder und 69 Erwachsene, wie Samantha Donkin von der Internationalen Organisation für Migration (IOM) erläutert. Muslime gehören zu der Gruppe ebenso wie Christen. Im Libanon nahm man sie zwar auf. Doch viel Hilfe für syrische Flüchtlinge gibt es dort nicht. Die libanesische Regierung wil auch nicht, dass große Flüchtlingslager für Syrer errichtet werden. Denn sie befürchtet, dass sonst Zehntausende dauerhaft bleiben könnten, so wie die Palästinenser, die 1948 und 1967 in den Libanon gekommen waren.

Auch Ahmad Chawam hofft, dass Deutschland als vorübergehendes Zuhause für ihn und seine zwei Kinder ein neues Leben bedeuten wird - vor allem für seinen schwerhörigen, traumatisierten Sohn. Er ist erst sieben Jahre alt, hat aber daheim in Aleppo schon die Schrecken eines Krieges erlebt. „Ich habe ihm immer das Hörgerät abgenommen, damit er den Granatbeschuss nicht mitbekam und noch ängstlicher wurde“, erzählt Chawam mit Tränen in den Augen.

Im abgeschotteten Flughafenterminal in Hannover blicken die Flüchtlinge durch die Scheibe auf den grauen Himmel, aus dem ein kräftiger Regenschauer niedergeht. Europa müsse sich um die Aufnahme weiterer Flüchtlinge bemühen, erklärt Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) den Journalisten. Aber auch mit Blick auf das deutsche Kontingent von 5000 Flüchtlingen sagt er: „Wir werden neue Beschlüsse fassen müssen, wenn der Druck wächst.“

Die Neuankömmlinge werden unterdessen mit Getränken versorgt, das Gepäck wird verladen. Als die erschöpften Menschen in die Busse steigen, reißt der Himmel auf.