Schavans Zukunft als Ministerin ist ungewiss
Berlin/Johannesburg (dpa) - Nach Aberkennung ihres Doktortitels ist die politische Zukunft von Bildungsministerin Annette Schavan (CDU) offen. Kanzlerin Merkel habe „volles Vertrauen“ in Schavan, versicherte Regierungssprecher Seibert - vermied aber ein ausdrückliches Bekenntnis zu ihrem Verbleib im Amt.
Schavan machte auf ihrer Südafrikareise in Johannesburg deutlich, dass sie vor Gericht um den Titel kämpfen will. Die Opposition verlangte den Rücktritt der Ministerin und Merkel-Vertrauten. Auch der Deutsche Hochschulverband, die Berufsvertretung der Universitätsprofessoren, legte Schavan den Rücktritt nahe.
Seibert sagte, nach der für Freitagabend erwarteten Rückkehr der Ministerin von ihrer Reise werde „Gelegenheit sein, in Ruhe miteinander zu reden“. Die genaue Zeit ließ er offen. „Ein solcher Termin wird sich immer finden, wenn es nötig ist.“ Merkel stehe „in gutem Kontakt“ mit Schavan. „Sie schätzt ihre Leistung als Ministerin außerordentlich.“ Merkel ist bis Freitag beim EU-Gipfel in Brüssel. Seibert sagte, Schavan werde in Deutschland sicher „auch erneut und ausführlicher Stellung nehmen, als das aus dem Ausland möglich und angebracht ist“.
Die 57-jährige Schavan sagte in Johannesburg vor Journalisten nur: „Die Entscheidung der Universität Düsseldorf werde ich nicht akzeptieren und dagegen Klage einreichen.“ Sie ergänzte: „Mit Blick auf die juristische Auseinandersetzung bitte ich um Ihr Verständnis, dass ich heute keine weitere Stellungnahme abgeben werde.“
Die Uni Düsseldorf hatte Schavan am Dienstag nach neun Monaten Prüfung wegen „vorsätzlicher Täuschung“ in ihrer Promotionsarbeit den vor 33 Jahren erworbenen Doktortitel entzogen. Im Fakultätsrat waren 12 von 15 stimmberechtigten Mitgliedern für die Aberkennung. Es gab zwei Nein-Stimmen und eine Enthaltung. Erste Plagiatsvorwürfe gegen die Ministerin waren Ende April 2012 anonym im Internet aufgetaucht. Für das Einreichen einer Klage vor dem Verwaltungsgericht Düsseldorf hat sie einen Monat Zeit. Ein Prozess könnte monatelang dauern.
Die Opposition forderte Schavans Rücktritt. „Geschummelt ist geschummelt“, sagte SPD-Fraktionsgeschäftsführer Thomas Oppermann. Als Vorbild für Doktoranden, die wissenschaftliche Regeln unbedingt einhalten müssen, sei sie ungeeignet. Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin sagte: „Bei allem Verständnis für die menschliche Härte dieser Entscheidung: Eine Wissenschaftsministerin, die wegen systematischer und vorsätzlicher Täuschung des Plagiats überführt wird und der daraufhin ihre Promotion aberkannt wird, ist nicht mehr tragbar.“ Linke-Bundesgeschäftsführer Matthias Höhn sagte: „Frau Schavan sollte ihre Weigerung zurückzutreten überdenken.“
Aus der Union erhielt sie dagegen Rückendeckung. In Parteikreisen wurde aber offengelassen, ob Schavan dem öffentlichen Druck Stand halten werde. „Annette Schavan ist eine äußerst erfolgreiche Ministerin“, sagte Fraktionsgeschäftsführer Michael Grosse-Brömer (CDU). Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) sagte: „Ich finde, wir sollten ihr Gelegenheit geben, erstens diese Reise zum Abschluss zu bringen und dann Stellung zu nehmen zu dem, was die Universität Düsseldorf gestern veröffentlicht hat.“
Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) sagte dem Sender hr-info, Schavan müssten „drei Tage Ruhe“ gegeben werden. Dann müsse sie selbst über ihre Zukunft entscheiden. Baden-Württembergs CDU-Chef Thomas Strobl sicherte seiner Parteifreundin volle Rückendeckung zu. „Von uns als CDU Baden-Württemberg wird Frau Schavan alle Unterstützung bekommen, die wir ihr geben können.“ Die CSU verhielt sich betont neutral. Parteichef Horst Seehofer nannte es in München „richtig“, dass Schavan gegen den Entzug ihres Doktortitels klagen will. „Alles andere ist Sache der Frau Schavan und der Kanzlerin.“
Nach den Worten von FDP-Generalsekretär Patrick Döring respektiert der Koalitionspartner Schavans Entscheidung, den Rechtsweg zu beschreiten. „Dieses Verfahren gilt es abzuwarten.“
Für den Deutschen Hochschulverband ist es nach den Worten seines Präsidenten Bernhard Kempen „sehr schwer vorstellbar“, dass Schavan im Amt bleibt. Sie sollte die Entscheidung der Universität „zunächst als Faktum“ akzeptieren, sagte er der dpa. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass es klug wäre, unter diesen Umständen weiter im Amt zu bleiben.“ Dies tue der Wissenschaft nicht gut.“ Der Verband vertritt 27 000 Universitäts-Professoren.
Schavan ist nach dem ehemaligen Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) das zweite Regierungsmitglied im Kabinett Merkel, dem wegen Plagiatsvorwürfen der Doktorgrad entzogen wurde.