Neue Regierung Schwarz-rote Sondierung: Matadore und Marksteine
Berlin (dpa) - Was wäre Angela Merkel nur ohne die SPD! Acht ihrer zwölf Jahre im Kanzleramt hat sich die CDU-Chefin schon auf die Sozialdemokraten stützen können.
Und nach geplatzten Jamaika-Träumen mit FDP und Grünen bleibt ihr zu Beginn des 13. Amtsjahres wieder nur eine Option für eine stabile neue Regierung: Genau, noch mal die Genossen. Mehr als drei Monate nach der Wahl nahmen Union und SPD wieder Sondierungen auf - und verbreiteten zum Start schon mal freundliche Stimmung. Binnen fünf Tagen soll jetzt klar werden, ob eine Merkel-GroKo Nummer drei überhaupt eine Chance hat.
DIE MATADORE: Eines haben die nur noch geschäftsführende Kanzlerin, SPD-Chef Martin Schulz und der CSU-Vorsitzende Horst Seehofer schon mal gemeinsam - nach heftigen Klatschen bei der Bundestagswahl müssen sie nicht zuletzt um ihre eigene Zukunft kämpfen. Und Merkel weiß, dass sie den Sozialdemokraten rasch etwas bieten muss, will sie die Operation überhaupt richtig ins Laufen bekommen. Am 21. Januar soll ein SPD-Parteitag entscheiden, ob aus losen Sondierungen offizielle Koalitionsverhandlungen werden. Da darf der angezählte Schulz nicht nur mit vagen Andeutungen kommen.
DER MODUS: Nach den quälenden vierwöchigen Jamaika-Sondierungen wollen es Union und SPD kurz und kompakt. Bis spätestens in die Nacht zu Freitag soll es täglich wechselnd in den Zentralen von CDU und SPD und der bayerischen Landesvertretung als Berliner CSU-Terrain zur Sache gehen. In Sechserrunden der Partei- und Fraktionschefs. Im Plenum von 39 Sondierern. Und in Sondierungsgruppen, die nun erste inhaltliche Gemeinsamkeiten für mehrere Themenblöcke ausloten.
Daraus soll ein Zwischenergebnis entstehen - als Basis für vertiefte Beratungen in Koalitionsverhandlungen. 60 Seiten, wie zuletzt bei Jamaika, sollen es nicht noch mal werden - eher sechs bis acht. So fix wie 2013, als es nur drei schwarz-rote Sondierungsrunden gab, geht es aber auch nicht ab. Union und SPD benötigten diesmal ja allein schon drei Vorbereitungstreffen.
DIE MANNSCHAFTEN: Auch wenn die große Runde nun nicht so groß ist wie einst bei Union, FDP und Grünen mit mehr als 50 Unterhändlern - jede Seite schickt Teams in die Verhandlungen. Das soll Fachkompetenz gewährleisten, Proporze berücksichtigen und Kritiker einbinden. So holt Schulz zum Beispiel den Chef der GroKo-skeptischen NRW-SPD, Michael Groschek, ins Boot. Merkel lässt ihren internen Kritiker Jens Spahn mitverhandeln. Und Seehofer bittet nun auch seinen designierten Nachfolger als Ministerpräsidenten, Markus Söder, dazu. Bei den Jamaika-Sondierungen war der nicht mal Teil der CSU-Truppe. Das wichtige wie strittige Thema Europa ist von Anfang an Chefsache.
DIE MARKSTEINE: Nach vier Jahren Schwarz-Rot und akuter Entfremdung direkt nach der Wahl - Schulz hatte seine SPD sofort auf Opposition festgelegt - will eigentlich niemand ein einfaches „Weiter so“. Doch woher soll ein frischer Aufbruch kommen? Seehofer baut auf „eine Portion Kreativität“. Vorzeigeprojekte wie 2013, als die CSU ihre Pkw-Maut bekam, die SPD den Mindestlohn und die CDU die schwarze Null im Haushalt, sind aber nicht in Sicht.
Zentral bleibt die Flüchtlingspolitik, bei der vor allem die CSU auf Härte pocht. Auch im Wahlkampf eher unterbelichtete Themen wie Bildung, Gesundheit, Rente und eine bessere Versorgung auf dem Land stehen nun weit oben. Und dann ist da das Personal. Auch neue Gesichter in einem vierten Kabinett Merkel wären ein Signal gegen „Weiter so“.