Snowden bittet um Asyl in Russland

Moskau/Washington/Berlin (dpa) - Überraschende Wende: Der US-„Whistleblower“ Snowden beantragt nun doch Asyl in Russland. Prompt drohen die USA mit einer Verschlechterung der Beziehungen. Dagegen verspricht Washington Innenminister Friedrich mehr Informationen.

Der flüchtige Computerspezialist Snowden stellt die Beziehungen zwischen Russland und den USA damit auf eine neue Belastungsprobe. Der 30-Jährige habe bereits einen Asylantrag unterschrieben, hieß es am Freitag nach einem Treffen von Menschenrechtlern mit Snowden auf dem Moskauer Flughafen Scheremetjewo. Mit dem Asylantrag beuge er sich Auflagen von Russlands Präsidenten Wladimir Putin, die er Anfang Juli noch abgelehnt hatte.

Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) holte sich derweil bei einem Kurzbesuch in Washington von der US-Regierung eine Zusage ab: Demnach wollen die USA Deutschland nach dem jüngsten Ärger in der Spähaffäre besser über die Erkenntnisse ihrer Geheimdienste informieren.

Die USA reagierten prompt auf den Asylantrag Snowdens: Sie drohen mit einer Verschlechterung der Beziehungen. Man fordere weiter seine Ausweisung, betonte Regierungssprecher Jay Carney. Politisches Asyl durch Moskau sei „unvereinbar mit der russischen Versicherung, keine Verschlechterung der Beziehungen durch Snowden zu wollen“.

Der Kreml signalisierte Zustimmung zum Asylantrag - allerdings unter Bedingungen. Der IT-Experte müsse vollständig auf Enthüllungen verzichten, die den USA Schaden zufügten, sagte der Sprecher von Präsident Wladimir Putin, Dmitri Peskow, der Agentur Interfax.

Putin hatte dem „Whistleblower“ bereits am 1. Juli Asyl angeboten. „Wenn er hierbleiben möchte, gibt es eine Bedingung: Er sollte mit seiner Arbeit aufhören, die dagegen gerichtet ist, unseren amerikanischen Partnern Schaden zuzufügen... “, sagte Putin damals. Doch damals lehnte Snowden ab. Nun wolle er die Bedingungen annehmen, heißt es. Snowden sitzt seit drei Wochen im Transitbereich des Moskauer Flughafens fest.

Snowden warf den USA in seiner Mitteilung schwere Rechtsverstöße vor. Zugleich betonte er, dass er sich nicht bereichern wolle und keine US-Geheimnisse verkauft habe. Zudem dankte Snowden Russland sowie den lateinamerikanischen Staaten Venezuela, Nicaragua, Bolivien und Ecuador dafür, dass sie ihn aufnehmen wollten. „Ich erkläre heute formell meine Einwilligung in alle Unterstützungs- oder Asylangebote, die ich erhalten habe und noch erhalten werde.“ Die US-Regierung hatte unter anderem den Reisepass des Informanten annulliert und ihm damit eine direkte Weiterreise von Moskau aus unmöglich gemacht.

„Er möchte hierbleiben, solange er nicht nach Lateinamerika ausreisen kann“, sagte Tanja Lokschina von der Organisation Human Rights Watch nach dem Treffen mit Snowden.

In Washington vereinbarte Friedrich mit der amerikanischen Sicherheitsberaterin Lisa Monaco einen besseren Informationsaustausch in Geheimdienstfragen. Die US-Regierung versprach dabei nach deutschen Angaben, einen „Deklassifizierungs-Prozess“ in Gang zu setzen, damit deutsche Behörden besser unterrichtet werden können.

Friedrich sagte, das US-Spähprogramm „Prism“ überwachte auch Kommunikationsinhalte. Es würden nicht nur Verbindungs-Daten gesammelt. Doch die inhaltliche Überwachung sei streng geregelt. „Allerdings geht es dort sehr strikt gesetzlich geregelt um Terrorismus, um Proliferation, also die Verbreitung von Massenvernichtungswaffen und um organisierte Kriminalität.“

Ob amerikanische Stellen in Deutschland gegen deutsches Recht verstoßen haben, sagte Friedrich nicht. Es gebe keine Bestätigung, dass deutsche Behörden von amerikanischer Seite abgehört wurden. Es habe auch keine Industriespionage gegen deutsche Unternehmen gegeben und auch keine Vereinbarungen zwischen dem US-Geheimdienst NSA und deutschen Stellen, um die jeweils anderen Bürger auszuspionieren.

Seine Gespräche in Washington bezeichnete er als Erfolg. „Ich bin sehr zufrieden“, sagte der CSU-Politiker nach Treffen mit Vertretern der US-Regierung. „Alle haben verstanden hier in den Vereinigten Staaten, dass es eine hohe Sensibilität in Deutschland beim Thema Privatsphäre gibt.“

Snowdens Enthüllungen über große Überwachungsprogramme des US-Geheimdienstes sorgen seit Wochen weltweit für Aufsehen: Die NSA soll im großen Stil die Kommunikation von Bürgern und Politikern in Europa überwachen - auch und besonders in Deutschland.