Fragen und Antworten „So schwierig war es noch nie“: G20 wenden Eklat noch mal ab
Hamburg. Erst am Samstagmorgen gelingt den Unterhändlern dann doch noch ein Durchbruch - zuerst im Handel. Beim anderen strittigen Thema Klima wird bis zuletzt um Sätze für das Abschlussdokument der Staats- und Regierungschefs der Top-Wirtschaftsmächte (G20) gefeilscht.
Nach zwei aufreibenden Gipfeltagen heißt es - unabhängig von den Krawallen - in Hamburg: „So schwierig war es noch nie.“
Eigentlich sind Bekenntnisse zu Freihandel und offenen Märkten im Kreis der führenden Wirtschaftsmächte eine Selbstverständlichkeit. Seit Amtsantritt von US-Präsident Donald Trump, der im Rahmen seiner „America-First“-Politik auf einen nationalistischen Kurs setzt, gilt ein Bekenntnis wie jetzt beim G20-Gipfel zu freiem Handel und gegen Protektionismus schon als Erfolg. „Wir werden die Märkte offen halten und die Bedeutung des gegenseitigen und einvernehmlich vorteilhaften Handels sowie den Grundsatz der Nicht-Diskriminierung anerkennen“. Protektionismus und „alle unlauteren Handelspraktiken“ sollen bekämpft werden. Allerdings wird zugleich „die Rolle legitimer Verteidigungsinstrumente im Handel“ anerkannt.
Letztlich fällt die Einigung hinter frühere Gipfelformulierungen zurück. Grundsätzlich gibt es schon jetzt im Rahmen der Welthandelsorganisation (WTO) die Möglichkeit, sich gegen unlautere Handelspraktiken zu wehren. Für die USA dürften die „legitimen Verteidigungsinstrumente“ aber wichtig sein. Nur: Was ist „legitim“? Die USA beklagen bei Stahlimporten aus China, aber auch Europa und Deutschland „unfaire“ Praktiken und Dumpingpreise. Sie prüfen sogar, ob die Stahlimporte die nationale Sicherheit gefährden.
Nein. Immerhin hat Trump nicht den Gipfel genutzt, um Strafzölle zu verkünden - was ein Affront gewesen wäre. Aus Sicht der Europäer und Deutschlands wären Strafzölle gegen Stahlimporteure ungerechtfertigt und würden gegen WTO-Regeln verstoßen. EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker hatte klargestellt, sollte Washington Stahlimporte mit protektionistischen Maßnahmen belegen, werde Europa schnell und angemessen antworten. Erwartet werden Strafzölle der Europäer etwa auf US-Agrarimporte. Dies würde amerikanische Farmer treffen, die als eine Kernklientel Trumps gelten.
Auf G20-Ebene wurde schon ein globales Forum gegründet, um die weltweiten Überkapazitäten beim Stahl abzubauen - mit China als ein Hauptverursacher im Boot. Die G20 fordern nun „dringend“ eine Beseitigung marktverzerrender Subventionen. Die Mitglieder des Forums müssten rasch politische Lösungen erarbeiten. Bis November 2017 wird ein Bericht mit konkreten Vorschlägen erwartet.
Es steht 19:1 - ohne die USA sichern die anderen 19 Staaten zu, das Pariser Klimaschutzabkommen zügig umsetzen zu wollen. Ansonsten nehmen sie nur „zur Kenntnis“, das die USA aussteigen. Die G19 stimmten einem Kompromiss zu, dass die USA ihre Absicht, anderen Ländern bei der sauberen Nutzung fossiler Brennstoffe helfen zu wollen, ins Kommuniqué schreiben können. Dabei müsste fossile Energie eigentlich auslaufen, wenn das Ziel erreicht werden soll, die Erderwärmung deutlich unter zwei Grad zu halten. Klimaschützer sind froh, dass die „G19“ weiter geschlossenen stehen, aber enttäuscht, dass der Gipfel dem Klimaschutz keinen neuen Schwung gegeben hat. Denn es müsste viel mehr getan werden, um das Klima zu retten.
Die G20-Staaten wollen verstärkt gegen terroristische Inhalte im Internet vorgehen. Mit Internet-Unternehmen soll zusammengearbeitet werden, „um den Missbrauch des Internets und der sozialen Medien für terroristische Zwecke wie Propaganda, Finanzierung und Planung von Terrorakten, Anstachelung zum Terrorismus, Radikalisierung und Anwerbung zum Ausführen terroristischen Handlungen zu bekämpfen“. Es geht etwa um schnelles Löschen von Propaganda. Die Überprüfung von Messenger-Diensten soll „im Verdachtsfall“ - verbessert werden.
Zu den vorzeigbaren Ergebnissen gehört, dass der erst vor kurzem gestartete Weltbank-Fonds zur Stärkung von Unternehmerinnen in Entwicklungsländern weitere Geldzusagen erhalten hat. Bisher seien 325 Millionen Dollar (285 Mio. Euro) eingesammelt worden, teilte Weltbank-Präsident Jim Yong Kim mit. Mit Hilfe privater Mittel soll ein Volumen von mehr als einer Milliarde Dollar bereitstehen. Der maßgeblich von Ivanka Trump, Tochter von US-Präsident Donald Trump, vorangetriebene Fonds soll Frauen helfen, an Kleinkredite für Unternehmensgründungen zu kommen.
Ja. Zumindest die USA. US-Präsident Donald Trump kündigte an, 639 Millionen US-Dollar, umgerechnet 572 Millionen Euro, für das Welternährungsprogramm (WFP) und andere Hilfsorganisationen geben zu wollen. Der Schritt wurde einhellig begrüßt, galt aber als überfällig, da der US-Kongress im April schon 990 Millionen US-Dollar zur Ernährungssicherung bereitgestellt hatte. Mehr als 20 Millionen Menschen in Nigeria, im Südsudan, in Somalia und im Jemen sind akt bedroht. Bislang war erst knapp die Hälfte von 4,9 Milliarden Dollar (4,3 Milliarden Euro) zugesagt, die die Vereinten Nationen erbeten hatten.
Das eigentliche Kernthema der G20 ging diesmal unter. Hier gab es rasch Konsens - noch vor den eigentlichen Gipfelberatungen. Zuvor war die Sorge groß, dass sich die USA auch bei der Regulierung der Banken von bisherigen Vereinbarungen absetzen. Washington will zumindest an den Vorgaben für die großen, international vernetzten Geldhäuser festhalten. Auch höhere Kapitalpuffer für Banken („Basel III“) stehen weiter auf der Agenda. Sogar das Wort „green finance“ taucht im Text auf - also klimabezogene Finanzrisiken für Unternehmen und Märkte. Aber wohl ohne jede Verbindlichkeit. dpa