SPD bezweifelt Merkels Willen zur Einigung
Berlin (dpa) - Vor dem Energiegipfel heute in Berlin hat die SPD den Willen von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) zu einer überparteilichen Einigung beim Atomausstieg angezweifelt.
Die Bundesregierung habe zu lange ohne die SPD-Länder und die Opposition im Bundestag agiert und nun Eckpunkte „ohne echte Inhalte“ vorlegt, sagte der rheinland-pfälzische Regierungschef Kurt Beck (SPD) der „Berliner Zeitung“ (Freitag). „Ich habe das Gefühl, dass immer noch getrickst wird und dass man uns nicht ehrlich einbinden will“, sagte Beck, der auch Koordinator der SPD-regierten Bundesländer ist.
Die Sozialdemokraten gehen mit weitreichenden Forderungen in den Gipfel. Als Bedingungen für einen Konsens mit der SPD nannte Beck ein Abschaltgesetz für die ältesten Kernkraftwerke und die Streichung ihres Reststroms, einen Finanzplan für die Energiewende sowie eine neue Suche nach möglichen Atommüll-Endlagern jenseits von Gorleben.
Thüringens Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht (CDU) forderte Kompensationen für jene Bundesländer, in denen im Zuge der Energiewende neue Trassen zur Durchleitung von Windstrom aus dem Norden in den Süden gebaut werden. „Mit dem Ausbau der Netze stellt sich die Frage der Kostenverteilung. Wir denken an eine Konzessionsabgabe oder einen anderen dauerhaften Ausgleich“, sagte Lieberknecht der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ (Freitag). „Der Norden hat den Profit an den Windkraftanlagen. Im Süden wird der Strom verbraucht, und wir dazwischen gucken auf die Trasse. Wir müssen über eine Kompensation sprechen.“
Die CSU-Landesgruppenvorsitzende Gerda Hasselfeldt forderte eine radikale Verkürzung der Genehmigungsverfahren und Bauzeiten für große Infrastrukturprojekte wie Stromleitungen oder Energiespeichersysteme. Nur so sei ein rascherer Übergang zu erneuerbaren Energien zu bewerkstelligen, sagte sie der „Mittelbayerischen Zeitung“ (Freitag).
Unionsfraktionschef Volker Kauder bekräftigte den Willen, so schnell wie möglich aus der Kernkraft aussteigen. „Aber wir dürfen dabei unsere Ziele nicht aufgeben: Klimawandel, Versorgungssicherheit, bezahlbare Preise und Haushaltskonsolidierung. All das muss in dem Energiekonzept zusammengebracht werden“, sagte er dem „Straubinger Tagblatt/Landshuter Zeitung“ (Freitag).
Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) sagte, der Ausbau erneuerbarer Energien könne sich auf die Strompreise auswirken. Er rechne aber mit einem moderaten Anstieg, sagte er in der ZDF-Sendung „Maybrit Illner“. „Wissen tut das übrigens sowieso keiner“, sagte er mit Blick auf künftige Marktentwicklungen, die derzeit nicht absehbar seien.
Niedersachsens Ministerpräsident David McAllister (CDU) rief seine Partei auf, den Atomausstieg entschlossen zu vollziehen. „Wir müssen ihn jetzt durchsetzen, wenn wir nicht unsere Glaubwürdigkeit verspielen wollen“, sagte er der „Süddeutschen Zeitung“ (Freitag).
Nordrhein-Westfalens Wirtschaftsminister Harry Voigtsberger (SPD) warnte die großen Versorger vor einer Verzögerung der Energiewende. „Ich empfehle den Energiekonzernen, nicht auf einen sturen Konfrontationskurs zu schalten“, sagte er der „Financial Times Deutschland“ (Freitag).
Bei dem Treffen im Kanzleramt soll es um Maßnahmen gehen, wie die Stromnetze und die erneuerbaren Energien rascher ausgebaut werden können. Unklar ist, wie der milliardenschwere Umbau insgesamt finanziert werden soll. Nach Informationen der „Süddeutschen Zeitung“ (Freitag) ergaben erste regierungsinterne Berechnungen, dass die Energiewende Bürger und Betriebe pro Jahr mit etwa drei Milliarden Euro belasten könnte.
In der Diskussion ist eine Rücknahme der im Herbst beschlossenen Laufzeitverlängerung und ein Atomausstieg etwa bis zum Jahr 2020. Bis Mitte Juni will die Regierung beschließen, wie viele Atomkraftwerke dauerhaft vom Netz müssen. Im Rahmen des dreimonatigen Moratoriums als Folge der Katastrophe im japanischen Fukushima wurden acht AKW vorübergehend stillgelegt.