Sternstunden und Schlappen: Die deutschen WM-Halbfinals

Berlin (dpa) - Sternstunden, Schlappen und ein „Jahrhundertspiel“: Die Geschichte deutscher Halbfinals bei Fußball-Weltmeisterschaften ist geprägt von Jubel und Jammer, Triumphen und Tragik.

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Fünfmal - zuletzt vor vier Jahren in Südafrika - war die Vorschlussrunde Endstation aller Hoffnungen. Siebenmal ging's weiter bis ins Endspiel. Dreimal gelang der Titelgewinn, viermal zog das Team im Finale den Kürzeren. Am Dienstag in Belo Horizonte gegen Brasilien steht für die deutschen Kicker das 13. WM-Halbfinale an.

Die deutschen WM-Halbfinals:

3. Juni 1934 in Rom - 1:3 gegen die Tschechoslowakei

Die WM-Premiere der Deutschen verläuft vielversprechend. Nach Siegen über Belgien (5:2) und Schweden (2:1) endet der Erfolgsweg für das Team von Reichstrainer Otto Nerz erst in der Runde der letzten Vier. Zwar gelingt Rudolf Noack (59. Minute) gegen die Tschechoslowaken mit ihrem Weltklasse-Torwart Frantisek Planicka der Ausgleich. Doch drei Treffer von Oldrich Nejedly bescheren dem Favoriten die Endspiel-Teilnahme. Am Ende bleibt der Trost, im Spiel um Platz drei Österreichs „Wunderelf“ mit 3:2 entzaubert zu haben.

30. Juni 1954 in Basel - 6:1 gegen Österreich

Die „Sternstunde von Basel“ geht dem „Wunder von Bern“ voraus: Beim Schützenfest gegen die hoch gehandelten Österreicher wird die Fußball-Welt erstmals auf die Elf von Sepp Herberger aufmerksam. Max Morlock schießt drei Tore, Fritz Walter verwandelt zwei Foulelfmeter, sein Bruder Otmar steuerte den sechsten Treffer bei. Erich Probst kann für das Austria-Team um den überragenden Ernst Ocwirk nur verkürzen. Vier Tage später bekommt auch Ungarn die Stärke der DFB-Auswahl zu spüren, die mit 3:2 den ersten Titel holt.

24. Juni 1958 in Göteborg - 1:3 gegen Schweden

Auf dem erneuten Weg ins Finale wird die Herberger-Elf von den „Heja, heja“-Rufen schwedischer Fans und dem ungarischen Referee Istvan Zsolt gestoppt. Provoziert von Rechtsaußen „Kurre“ Hamrin leistet sich Erich Juskowiak eine Tätlichkeit und fliegt vom Platz. Mit neuneinhalb Mann - Fritz Walter kann nach einer Verletzung kaum noch laufen - geht die Führung durch Hans Schäfer verloren. Lennart Skoglund, Gunnar Gren und Hamrin bringen Schweden ins Finale. Im Spiel um Platz drei fehlt die Kraft: 3:6 gegen Frankreich.

25. Juli 1966 in Birmingham - 2:1 gegen die Sowjetunion

Lew Jaschin scheint für die deutschen Angreifer zum unüberwindlichen Hindernis zu werden. Bis zur 43. Minute bringt der legendäre Torwart aus Moskau Uwe Seeler & Co zur Verzweiflung, dann gelingt Helmut Haller die Führung. Mit einem Distanzschuss sorgt Franz Beckenbauer nach 68 Minuten für die Entscheidung, der Anschluss durch Waleri Porkujan (88.) nach Fehler von Hans Tilkowski fällt zu spät. Helmut Schöns Elf steht im Finale. Geoff Hursts „Wembley-Tor“ in der Verlängerung leitet die 2:4-Niederlage gegen England ein.

17. Juni 1970 in Mexiko-Stadt - 3:4 nach Verlängerung gegen Italien

Zum „Jahrhundert-Spiel“ wird die Partie im Glutofen des Azteken- Stadions erst in der Verlängerung. Roberto Boninsegna hat Italien früh in Führung gebracht, Karl-Heinz Schnellinger in der 90. Minute ausgeglichen. Dann geht es Schlag auf Schlag: 2:1 Müller, 2:2 Burgnich, 2:3 Riva, 3:3 Müller, 3:4 Rivera - Aus. Sündenbock für die Deutschen ist Schiedsrichter Arturo Yamasaki. Zwei Elfmeter hat der Mexikaner Helmut Schöns Elf verweigert. Platz drei durch ein 1:0 gegen Uruguay ist für das erschöpfte Team nur ein schwacher Trost.

3. Juli 1974 in Frankfurt - 1:0 gegen Polen

Die „Wasserschlacht“ von Frankfurt ist eigentlich kein echtes Halbfinale, dennoch hat die Begegnung diesen Charakter. Im Spiel gegen die punktgleichen Polen geht es um den Gruppensieg in der zweiten Finalrunde. Das „goldene Tor“ auf dem von Pfützen übersäten Rasen des Waldstadions erzielt eine Viertelstunde vor Schluss Gerd Müller, nachdem Uli Hoeneß zuvor einen Elfmeter verschossen hat. Sepp Maiers Paraden retten den knappen Vorsprung über die Zeit. Im Finale gewinnt das Team mit 2:1 gegen die Niederlande den zweiten WM-Titel.

8. Juli 1982 in Sevilla - 3:3 nach Verlängerung gegen Frankreich 5:4 im Elfmeterschießen

Als Horst Hrubesch für die Entscheidung sorgt, ist es fast Mitternacht. Der Hamburger verwandelt den sechsten deutschen Elfmeter und macht damit den vierten Final-Einzug perfekt. Das 1:0 durch Pierre Littbarski gleicht Michael Platini aus. In der Verlängerung führt Frankreich durch Tresor und Giresse 3:1. Rummenigge und Fischer per Fallrückzieher gleichen wieder aus. Für den negativen Höhepunkt sorgt Toni Schumacher mit seinem üblen Check gegen Patrick Battiston. Im Finale ist Deutschland gegen Italien beim 1:3 chancenlos.

25. Juni 1986 in Guadalajara - 2:0 gegen Frankreich

Schon wieder gegen Frankreich. Diesmal ist die „Équipe tricolore“ als Europameister klarer Favorit gegen die DFB-Elf, die sich regelrecht ins Halbfinale „gemogelt“ hat. Doch in der 9. Minute geht Franz Beckenbauers Team durch Andreas Brehmes Freistoß in Führung, Superstar Platini bringt die Franzosen nicht mehr richtig in Schwung. Rudi Völlers Tor in der Schlussminute legt den Weg ins Azteken-Stadion endgültig frei. Doch im fünften WM-Finale einer DFB-Mannschaft ist Argentinien als 3:2-Sieger glücklicher.

4. Juli 1990 in Turin - 1:1 nach Verlängerung gegen England 4:3 im Elfmeterschießen

Spielwitz, Tempo und höchster Einsatz: Franz Beckenbauers Elf und England liefern sich das vorweggenommene Endspiel. Mit einem abgefälschten Freistoß sorgt wiederum Brehme für das deutsche 1:0, Gary Lineker gleicht aus. Nach torloser Verlängerung lacht den Deutschen das Elfmeterglück. Nachdem Brehme, Matthäus und Riedle sowie Lineker, Beardsley und Platt getroffen hatten, hält Illgner den Schuss von Pearce. Dann verwandelt Thon, der Ball von Waddle geht drüber. Im Finale gelingt mit 1:0 die Revanche gegen Argentinien.

25. Juni 2002 in Seoul - 1:0 gegen Südkorea

Michael Ballack wird in der koreanischen Hauptstadt zum tragischen Helden. Der Leverkusener schießt Deutschland mit seinem Siegtor gegen die Gastgeber (75. Minute) zum siebten Mal in ein WM-Finale, doch ausgerechnet dort muss er wegen der zweiten Gelben Karte im Turnier zuschauen. Ohne ihren Antreiber unterliegt die Elf von Rudi Völler im Endspiel von Yokohama Brasilien mit 0:2, weil dem bis dahin überragenden „Titan“ Oliver Kahn beim ersten von zwei Ronaldo-Toren ein verhängnisvoller Fehler unterläuft.

4. Juli 2006 in Dortmund - 0:2 nach Verlängerung gegen Italien

Das Ende des „Sommermärchens“: Ohne den gesperrten Torsten Frings lieferte Jürgen Klinsmanns Elf den „Azzurri“ 118 Minuten lang einen Kampf auf Biegen und Brechen. Dann düpiert Andrea Pirlo die gesamte deutsche Abwehr mit seinem Pass, Fabio Grosso schlenzt den Ball unhaltbar für Jens Lehmann ins Netz. Geschockt kassieren die Gastgeber in der Nachspielzeit durch Alessandro del Piero noch ein Gegentor. Drei Tage später sind die Tränen wieder getrocknet: Mit 3:1 gegen Portugal gelingt dem DFB-Team ein toller Turnierabschluss.

7. Juli 2010 in Durban - 0:1 gegen Spanien

Vom Schwung des 4:1 gegen England und des 4:0 gegen Argentinien ist gegen Spaniens „Tiki-Taka“ nichts übrig geblieben. Das Team von Joachim Löw kann den Ausfall seines gesperrten Top-Torschützen Thomas Müller nicht wettmachen. Beeindruckt von der Ballsicherheit des Gegners gelingt kaum etwas. Nach 73 Minuten köpft Carles Puyol einen Eckball von Xavi zum verdienten Siegtor für die Iberer ein, die vier Tage später ihren ersten WM-Titel feiern können. Deutschland beendet das Turnier am Kap nach einem 3:2 gegen Uruguay wieder als Dritter.