Uneinigkeit über militärische Strafaktion gegen Syrien
New York/Damaskus (dpa) - Der Countdown für einen Militärschlag gegen Syriens Machthaber Baschar al-Assad läuft. Krisenstäbe berieten am Mittwoch in Washington, London und Paris parallel über die geplante Strafaktion unter amerikanischer Führung.
Diese dürfte in den nächsten Tagen beginnen.
Eine mit Spannung erwartete Sitzung des UN-Sicherheitsrats ging am Mittwochabend ohne Beratungen über eine von Großbritannien vorgeschlagene Syrien-Resolution zu Ende.
Die fünf vetoberechtigten Mitglieder des Weltsicherheitsrats - Großbritannien, Frankreich, China, Russland und die USA - hatten sich auf Einladung der Briten vor der Sitzung hinter verschlossenen Türen getroffen und über die Situation in Syrien und den Resolutionsentwurf gesprochen. Dabei habe Russland seine ablehnenden Haltung betont, hieß es. Es sei noch zu früh für eine solche Resolution. Mehrere ranghohe US-Regierungsmitglieder bis hin zu Vizepräsident Joe Biden haben bereits klar gemacht, dass für sie eindeutig das syrische Regime schuld an dem Giftgasangriff ist.
Die UN-Experten sind bei Damaskus weiter auf der Suche nach Spuren des vermuteten Giftgas-Angriffs, bei dem vor einer Woche mehrere Hundert Menschen getötet wurden. Das Team braucht nach den Worten von UN-Generalsekretär Ban Ki Moon vier Tage, um Beweise zu sichern. UN-Sprecher Fahan Haq stellte klar, zwei Tage seien bereits vorbei, zwei weitere Tage stünden noch bevor. In dieser Zeit gilt ein Militärschlag als wenig wahrscheinlich, um die UN-Experten nicht zu gefährden.
„Das Team wird so lange weiterarbeiten, bis sie das Gefühl haben, dass die Aufgabe abgeschlossen ist. Es befindet sich immer noch mitten in seinem 14-tägigen Mandat, das am vorletzten Sonntag begonnen hat“, sagte Haq.
Der Syrienbeauftragte von UN und Arabischer Liga, Lakhdar Brahimi, sprach in Genf von Anzeichen für den Einsatz chemischer Kampfstoffe. Bei den Angriffen sei eine „gewisse Substanz“ verwendet worden. Am Mittwoch waren die Chemiewaffen-Inspekteure in Samalka unterwegs, einer Rebellenhochburg im Bezirk Al-Ghuta Al-Scharkija.
Syrien bat die UN-Inspekteure um die Untersuchung von drei weiteren Orten, an denen „bewaffneten Terrorgruppen“ zwischen dem 22. und 25. August Chemiewaffen eingesetzt hätten. Die Regierung in Damaskus habe einen entsprechenden Brief an die Vereinten Nationen geschickt, sagte der syrische UN-Botschafter Baschar al-Dschafa.
Auch aus Angst vor einem US-Luftangriff sind immer mehr Syrer auf der Flucht: Allein die Grenze zum Libanon überquerten binnen 24 Stunden mehr als 10 000 Menschen. Die oppositionelle Nationale Syrische Koalition bat die Staaten, die Angriffe auf Syrien planen, bei der Zielauswahl nicht zu vergessen, dass in vielen Einrichtungen der Armee und des Geheimdienstes Gefangene festgehalten würden.
Aus Furcht vor syrischen Vergeltungsschlägen versetzte Israel seine Raketenabwehr in erhöhte Alarmbereitschaft und mobilisierte einen Teil seiner Reservisten. Ministerpräsident Benjamin Netanjahu sagte nach einer Dringlichkeitssitzung seines Sicherheitskabinetts, die Armee stehe zur Verteidigung bereit.
An der jordanisch-syrischen Grenze wurden Bewegungen gemeinsamer Militärverbände der USA und Jordaniens beobachtet. Dutzende Panzer und Kampfjets würden entlang der rund 370 Kilometer langen Grenze mobilisiert, sagten Augenzeugen und ein Armeesprecher.
Kanzlerin Angela Merkel kündigte in der „Mittelbayerischen Zeitung“ (Donnerstag) an, ihr Vorgehen mit den europäischen Partnern und den USA abzustimmen. „Beenden lässt sich der Bürgerkrieg nur durch eine umfassende politische Lösung“, sagte sie. Laut Regierungssprecher Steffen Seibert gibt es bislang von den Partnern keine Anfragen nach einer Beteiligung der Bundeswehr an einem denkbaren Militärschlag.
Der russische Außenminister Sergej Lawrow bekräftigte: „Gewalt würde nicht zu einer Lösung, sondern zur weiteren Destabilisierung führen.“ Auch von anderer Seite kamen Warnungen vor einem voreiligen Eingreifen. UN-Generalsekretär Ban mahnte: „Der UN-Sicherheitsrat muss seine politische Verantwortung behalten.“ Wenn der Expertenbericht vorliege, sei es seine Aufgabe, darüber zu entscheiden.
Die USA, Großbritannien und Frankreich haben aber schon deutlich gemacht, dass der Einsatz von Giftgas für sie erwiesen ist und sie auch ohne UN-Mandat handeln könnten. Frankreichs Präsident François Hollande forderte einen „angemessenen Gegenschlag“. Auch die Nato machte die syrische Regierung für den Einsatz von Chemiewaffen verantwortlich, will aber selbst nicht militärisch eingreifen.
Der Sprecher des Weißen Hauses, Jay Carney, bekräftigte, dass US-Präsident Barack Obama mit Ausnahme des Einsatzes von Bodentruppen alle Optionen in Betracht ziehe. Ziel sei aber nicht ein Regimewechsel. „Die Lösung dieses Konfliktes muss durch politische Verhandlungen und Ergebnisse erfolgen.“ Die Planungen laufen auf einen Angriff mit Marschflugkörpern hinaus, der maximal drei Tage dauern dürfte.