Union auf der Suche nach einem Koalitionspartner
Berlin (dpa) - Wachsende Skepsis in der SPD erschwert die Suche von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) nach einem neuen Koalitionspartner. Auch der Führungswechsel bei den Grünen dürfte mögliche schwarz-grüne Verhandlungen nicht einfacher machen.
Der Grund: Die bisherige Parteispitze will trotz ihres Rückzugs mögliche Koalitionsgespräche führen. CSU-Chef Horst Seehofer bekräftigte: „Präferenz ist große Koalition.“ Er drängte die SPD zur Aufnahme von Verhandlungen. Die Bevölkerung habe wenig Verständnis für Verzögerungen. Merkel hatte dagegen erklärt, sie verstehe, dass sich die SPD beraten müsse.
Für Seehofer ist die bisherige Grünen-Spitze mit Parteichefin Claudia Roth und den Fraktionsvorsitzenden Jürgen Trittin und Renate Künast wesentliches Hindernis für die Aufnahme von Gesprächen. Alle drei haben ihren Rückzug angekündigt. Anschließend hieß es in der CSU, dies mache Gespräche jedenfalls etwas leichter.
Merkel versicherte vor der Unionsfraktion, CDU und CSU würden die Verhandlungen nur im Schulterschluss führen. Als wichtigste Zukunftsthemen nannte sie die Europa-Politik, die Energiewende und den demografischen Wandel. Merkel erklärte, die schwarz-gelbe Regierung könne nach der konstituierenden Sitzung des Bundestags bis zur Bildung einer neuen Regierung geschäftsführend im Amt bleiben, um Handlungsfähigkeit zu gewährleisten.
Der neue Bundestag soll nach dem Willen seines bisherigen Präsidenten Norbert Lammert (CDU) am 22. Oktober zur konstituierenden Sitzung zusammentreten. Das Datum lasse den Parteien genügend Zeit, um Konsequenzen aus der Wahl zu ziehen. Das Grundgesetz schreibt vor, dass das Parlament spätestens am 30. Tag nach der Wahl zusammentritt - das ist der 22. Oktober.
Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU), der wie sein SPD-Kollege Frank-Walter Steinmeier im Amt bestätigt wurde, bot den Sozialdemokraten ein konkretes Procedere für Koalitionsverhandlungen an. Bei der SPD werden allerdings die Rufe nach einem Mitgliederentscheid über das Ergebnis von Koalitionsverhandlungen lauter. Dadurch könnte sich die Regierungsbildung verzögern. Ein solcher Mitgliederentscheid könnte bis zu drei Monate dauern.
Immer mehr SPD-Verbände - darunter der mitgliederstärkste aus Nordrhein-Westfalen sowie Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz - plädierten dafür, die Basis eng in den Entscheidungsprozess einzubinden. Ein Mitgliederentscheid wäre eine Möglichkeit. Am Freitag soll ein Parteikonvent der SPD über einen Verfahrensvorschlag für solche Verhandlungen entscheiden. Die SPD-Landesverbände NRW und Baden-Württemberg stemmen sich gegen eine Koalition mit CDU/CSU. Auch die mehrheitlich linke Berliner SPD sprach sich klar gegen eine große Koalition aus.
Neue Grünen-Fraktionschefs wollen die Spitzenkandidatin bei der Bundestagswahl, Katrin Göring-Eckardt, und der Verkehrsexperte Anton Hofreiter werden. Göring-Eckardt wird ein entspanntes Verhältnis zu CDU-Chefin Merkel nachgesagt. Auch der Bayer Hofreiter dürfte in mögliche Koalitionsgespräche eingebunden werden.
Seehofer sagte, er werde nicht mit den Grünen-Spitzen reden, die im Wahlkampf eine Rolle gespielt hätten. Im „Spiegel“ begründete er seine Ablehnung vor allem mit dem Verhalten Trittins und des bisherigen Fraktionsgeschäftsführers Volker Beck im Zusammenhang mit den Pädophilie-Vorwürfen gegen ihre Partei. „Das hat mich aufgeregt wie schon lange nichts mehr. Für mich ist da eine Grenze überschritten.“ Auch Beck hat sein Amt aufgegeben.
Bei Grünen und Linken kamen die ausscheidenden und neuen Abgeordneten zwar ebenfalls zusammen. Ihre Fraktionsspitzen werden vorerst aber noch nicht neu gewählt.
Kauder will Verhandlungen mit der SPD nicht durch Beschlüsse der noch amtierenden schwarz-gelben Koalition belasten. „Daher biete ich an, das Prozedere zu wiederholen, auf das wir uns bei den letzten Verhandlungen zur großen Koalition geeinigt hatten: Entscheidungen, die während der Verhandlungen anstehen, werden mit der Koalitionsarbeitsgruppe abgestimmt“, sagte er dem „Spiegel“. Unter Merkel hatte die Union bereits von 2005 bis 2009 mit der SPD regiert.
Die in der SPD einflussreiche NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft hatte am Montagabend in Düsseldorf betont, die SPD sei nicht angetreten, um als Mehrheitsbeschafferin die Union an der Regierung zu halten. Demokratie brauche auch eine starke Opposition. Das dem linken Parteiflügel zugeordnete SPD-Präsidiumsmitglied Ralf Stegner sagte dem RBB-Inforadio am Dienstag: „Natürlich hat hier niemand die Neigung, mit Frau Merkel zusammen zu regieren.“
Bei den Grünen warnte selbst Tübingens grüner Oberbürgermeister Boris Palmer, der prinzipiell als Befürworter einer Öffnung zur Union gilt, vor Schwarz-Grün. „Das wäre ein brutaler Wortbruch“, sagte der Realo dem „Mannheimer Morgen“. Dies sei „nur um den Preis des totalen Gesichtsverlusts der Grünen“ möglich.