Urteil: Behörden dürfen vor Ekel-Fleisch warnen

Luxemburg/München (dpa) - Lebensmittel müssen nicht gesundheitsgefährdend sein, damit die Behörden eines EU-Landes öffentlich vor ihnen warnen dürfen. Auch wenn etwas richtig eklig ist, dürfen die Verbraucher informiert werden.

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) entschied in Luxemburg, auch ein lediglich „ungeeignetes“ Lebensmittel erfülle nicht die Anforderungen an die Lebensmittelsicherheit.

Das EU-Gericht nahm zu einem Streit um verdorbenes Wildfleisch vor dem Landgericht München I Stellung. Das Passauer Unternehmen Berger Wild GmbH hatte Schadenersatz verlangt, weil das bayerische Verbraucherschutzministerium vor dem Verzehr des Wildfleischs gewarnt und über ekelerregende Zustände in der Firma berichtet hatte. Die Firma meldete wenig später Insolvenz an.

Der EuGH habe ein wichtiges Signal zur Stärkung der Informationsrechte von Verbrauchern in Deutschland und der gesamten EU gesendet, teilte Bundesverbraucherministerin Ilse Aigner (CSU) mit. „Das Urteil bestärkt uns in unserem Ansatz, größtmögliche Transparenz für Verbraucher zu schaffen, wenn es um die Qualität von Lebensmitteln geht.“

Die Entscheidung des EuGH habe er fast erwartet, sagte Unternehmer Karl Berger der Nachrichtenagentur dpa. Für das laufende Verfahren am Landgericht München habe dies aber keinen Einfluss, glaubt der 57-Jährige. Bei dem Verfahren gehe es ihm auch nicht um das Geld, sondern um die Reputation. „Ich war der größte Wildunternehmer Europas mit den höchsten Hygienevorkehrungen. Von einem Tag auf den anderen war ich plötzlich der größte Lebensmittelverbrecher und Pleite.“ Mittlerweile hat Berger einen Wildfleisch-Handel in Österreich.

Bayerns Umweltminister Marcel Huber (CSU) bewertet die Entscheidung von Luxemburg als Grundsatzentscheidung mit großer Tragweite. „Das Urteil stärkt die Verbraucherinteressen und kommt dem Bedürfnis der Bürger nach Transparenz und umfassender Information nach“, betonte der Minister. Der Bund müsse jedoch für eine Information auch im Internet das bestehende Gesetz überarbeiten und eine klare Rechtsgrundlage schaffen. „Die Konsequenzen des Urteils für den am Landgericht München behandelten Fall müssen im weiteren Verfahren gezogen werden“, erläuterte Huber.

Das Veterinäramt Passau hatte bei einer Prüfung im Januar 2006 festgestellt, die Wildprodukte der Berger Wild GmbH hätten „ranzig, stickig, muffig oder sauer gerochen“. In manchen Fällen habe der Fäulnisprozess bereits eingesetzt. Wegen der „ekelerregenden hygienischen Zustände“ in dem Unternehmen dürften die Produkte nicht mehr verkauft werden.

Die Firma hatte argumentiert, bei ihrem Wildfleisch könnten „sensorische Abweichungen“ auftreten. Das stelle aber keine Gesundheitsgefahr dar. Das Unternehmen wollte den Kunden lediglich anbieten, die Produkte umzutauschen. Es sah sich von den Pressemitteilungen des Ministeriums geschädigt und verlangte Schadenersatz.

Die höchsten EU-Richter entschieden jetzt, die Warnung der Behörden vor „nicht gesundheitsschädlichen, aber für den Verzehr durch den Menschen ungeeigneten Lebensmittel“ auch unter Nennung des Unternehmensnamens verstoße nicht gegen EU-Recht.

Wenn ein Lebensmittel „für den Verzehr durch den Menschen inakzeptabel“ sei, entspreche es nicht den Anforderungen einer EU-Verordnung über Lebensmittelsicherheit. Die nationalen Behörden dürften daher durchaus die Verbraucher informieren.